Abschied von der Bundeszentrale für politische Bildung: 2003

Abschied von der Bundeszentrale für politische Bildung: 2003

Berlin/Bonn, 28. April 2003

Liebe Kolleginen und Kollegen,

es ist soweit. Am 30. April 2003 beende ich meinen aktiven Dienst für die bpb. Fast vierzig Jahre war ich dabei und mittendrin an drei Standorten: Köln, Bonn und Berlin. In dieser langen Zeit bin ich schon fast ein Fossil geworden: Ich habe alle Präsidenten und Direktoren erlebt, die für unser Haus verantwortlich waren, von Paul Franken bis Thomas Krüger. Es waren ereignisreiche Jahre, auf die ich heute zurückblicke. An ihrem Beginn stand die noch frische Erinnerung an die Schocktherapie des Mauerbaus, und sie kulminierten in der deutschen Vereinigung, weniger als ein Jahr nach dem Mauerfall, den ich am 10. November bei einem Kongress der bpb unvorhergesehen und live, tatsächlich auf der Mauer stehend, erleben durfte.

Der amerikanische Präsident John F. Kennedy hatte 1963 mit seiner „Strategie des Friedens“ den schwierigen, komplizierten Prozess einer Ost-West-Entspannung eingeleitet, der für meine Tätigkeit am Kölner Ostkolleg (1964 bis 1981) entscheidende Bedeutung hatte. Mein Wechsel zur bpb, als Arbeitsgruppenleiter Publizistik, im September 1981, war die größte Herausforderung in meinem Berufsleben. Sehr schnell erkannte ich, dass ich von der Leidenschaft des Büchermachens infiziert war. Und noch heute bin ich dankbar, dass wir schon in meinen frühen Bonner Jahren mit Christoph Kleßmanns beiden Schriftenreihe-Bänden die erste gesamtdeutsche Geschichte für den Zeitraum von 1945 bis 1970 publizieren konnten.

Ich habe viel Glück gehabt mit meinen Kolleginnen und Kollegen und mit meinen Autoren. Das Ostkolleg war durch eine geradezu familiäre Atmosphäre geprägt, dort habe ich im Umgang mit Persönlichkeiten wie Joseph M. Bochenski oder Richard Löwenthal lernen dürfen, was „herrschafsfreier Diskurs“ bedeutet. In meiner Bonner Zeit hat mich das inspirierende intellektuelle Klima, das die Redaktion der Beilage „Aus Politik und Zeitgeschichte“ über alle personellen Wechsel hinweg in fünf Jahrzehnten ausgezeichnet hat, besonders nachhaltig beeindruckt. Und die euphorische Stimmung, die man als Insider auf den Buchmessen verspürt, wenn man Freunden und Kollegen, Verlegern und Autoren begegnet, zählt ebenfalls zu den Erlebnissen, die ich nicht vergessen werde.

Am Ende meines Berufslebens habe ich noch einmal Neuland betreten: Ich hoffe, dass die kurze Zeit, die ich in Berlin tätig sein konnte, dazu beigetragen hat, meinen Berliner Kolleginnen und Kollegen ein Wirkungsfeld zu eröffnen, in dem sie ihre kreativen Fähigkeiten und ihre große Einsatzbereitschaft im Interesse unseres Hauses voll entfalten können. Die freundliche Offenheit und die intensive Unterstützung, die mir unsere BerlinerInnen entgegengebracht haben, hat mir diese letzte Aufgabe leicht gemacht. Hätte ich ein Jahr früher in Berlin sein können, wären die Ergebnisse unseres gemeinsamen Tuns deutlicher sichtbar – so bleibt ein kleiner Wermutstropfen, der zu jedem Abschied gehört.

Ob meineArbeit für die bpb nützlich gewesen ist, müssen andere beurteilen. Ich habe mich jedenfalls in der bpb die meiste Zeit wohl gefühlt. Die persönlichen Kontakte und ein menschenfreundliches Klima waren für mich wichtiger als jedes Produkt, das wir im gemeinsamen Tun realisiert haben. Sie bilden den Nährboden für kreative Arbeit und eine Entwicklung, in der sich Kontinuität und Erneuerung auf fruchtbare Weise miteinander verbinden. Die Zusammenarbeit mit jungen Kolleginnen und Kollegen, das Miteinander mit zahlreichen Volontärinnen und Volontären, die ich in mehr als zwanzig Jahren in meine Obhut nehmen durfte, war für mich eine besondere Freude, sie hält unser Haus jung, treibt uns voran und macht uns bewusst, was die Übernahme von Verantwortung bedeutet.

Im Rückblick auf fast vier Jahrzehnte wünsche ich mir zum Abschied, dass wir unter dem Eindruck vielfältiger, erfreulicher Innovationen nch Abschluss unseres Jubiläumsjahres nicht vergessen, dass unser Haus eine Geschichte besitzt, in der sich Traditionen entdecken lassen, die wir nicht einfach beiseite schieben sollten. Der Komponist Gustav Mahler hat den schönen, kühnen Satz formuliert: „Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers.“ Aus diesem Geist habe ich mich bei der Erneueurng der bpb, die unser Präsident Thomas Krüger ins Werk gesetzt hat, nach besten Kräften engagiert und über die Fortschritte und Erfolge, die wir in den letzten Jahren gemeinsam erreicht haben, sehr gefreut.

Ich danke Ihnen für das Vertrauen, das Sie mir engegengebracht und für die Geduld, mit der Sie mich ertragen haben und wünsche Ihnen Freude und Erfolg bei Ihrer Arbeit und persönliches Wohlergehen.

Mit herzlichen Grüßen

Rüdiger Thomas

 

© Rüdiger Thomas

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