Antikommunismus zwischen Wissenschaft und politischer Bildung (2012)

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Rüdiger Thomas

Antikommunismus zwischen Wissenschaft und politischer Bildung                                            Bundeszentrale für Heimatdienst und Ostkolleg

Eine inhaltsanalytisch orientierte Betrachtung zeigt, dass sich die Bundeszentrale für Heimatdienst (ab 1963: Bundeszentrale für politische Bildung) und das Ostkolleg schon in ihrem Gründungsjahrzehnt mit zielgruppenspezifischen Publikationen und Seminaren für „Bildungseliten“, die durch ein autonomes wissenschaftliches Leitungsgremium konzipiert wurden, überwiegend substanziell und argumentativ mit Theorie und Praxis des internationalen Kommunismus auseinandergesetzt haben.

Einleitung: Antikommunismus als Teil der westdeutschen Mentalitätsgeschichte

Ein Rückblick auf die Mentalitätsgeschichte der Bundesrepublik in den 1950er-Jahren zeigt eine eigentümliche Verschränkung zwischen den Ansätzen einer demokratischen Bewusstseinsbildung und einer antitotalitären Grundhaltung, die sich weniger auf die NS-Diktatur bezieht, in der man eigene Verstrickungen nur zu gern unter dem Rubrum einer „Unschuldsgemeinschaft“[1] zu verdrängen trachtete, als auf den Systemantagonismus zu den sowjetkommunistischen Regimen, der im Nachkriegsdeutschland seine Manifestation in einem ostdeutschen Konkurrenzstaat gefunden hatte, einem „Staat, der nicht sein darf“[2]. Der Antikommunismus wurde daher zu einem grundlegenden Integrationsfaktor für die Entwicklung des politischen Selbstverständnisses der westdeutschen Gesellschaft. Diese Einsicht ist allerdings zu pauschal, um die Mentalitätsgeschichte der frühen Bundesrepublik angemessen zu erfassen. Denn sie verdeckt, dass sich im Westen Deutschlands unterschiedliche Ausprägungen des Antikommunismus nachweisen lassen, die bei einer Analyse von Genese und Erscheinungsformen antikommunistischer Denk- und politischer Verhaltensmuster analytisch und systematisch differenziert werden müssen. Grundlegend lassen sich propagandistischer und rationaler Antikommunismus unterscheiden. Während der als propagandistisch bezeichnete, appellativ und emotional aufgeladene Antikommunismus funktionalisiert wird, um das Demokratiekonzept ex negativo zu legitimieren, ist der rationale Antikommunismus dadurch gekennzeichnet, dass er sich mit Theorie und Praxis des Kommunismus substanziell (tatsachengestützt) und argumentativ auseinandersetzt. In einem Zwischenbereich lässt sich verorten, was als empirischer Antikommunismus bezeichnet werden kann und vor allem auf den Berichten von Zeitzeugen beruht, die ein breites Spektrum zwischen emotionaler Betroffenheit und nüchterner Erkenntnis aufweisen. Und schließlich ist bei der Analyse von Erscheinungsformen des Antikommunismus zu berücksichtigen, an welche Zielgruppen er gerichtet ist und welchen praktischen Zwecken er jeweils dient, etwa in der Auseinandersetzung mit innenpolitischen Konkurrenten, insbesondere im Kontext von Wahlkämpfen. In diesem Beitrag steht die Frage im Mittelpunkt, inwieweit zwei wichtige Institutionen der politischen Bildung in der Bundesrepublik, die Bundeszentrale für Heimatdienst und das Ostkolleg, dem selbstgesetzten Auftrag einer wertorientierten und zugleich wissenschaftlich begründeten Auseinandersetzung mit Theorie und Praxis des internationalen Kommunismus in ihrer Gründungsperiode gerecht geworden sind.[3] Untersucht wird, welche personellen Konstellationen und konzeptionellen Ansätze die Ausbildung von Organisationsstrukturen bestimmt haben; exemplarisch wird zudem dargestellt, wie konkrete Maßnahmen und Projekte einer bundesweit operierenden politischen Bildung gestaltet waren, die aus der intellektuellen Herausforderung der Theorie des Marxismus und der politischen Systemkonkurrenz mit dem Sowjetkommunismus resultieren.

Gründungsgeschichte der Bundeszentrale für Heimatdienst

Auf der Kabinettssitzung vom 7. September 1951 zeigte sich Bundeskanzler Konrad Adenauer besorgt darüber, dass sich die Bevölkerung „in steigendem Maße der Demokratie und der Politik der Bundesregierung entfremde“.[4] Im Oktober 1951 verfasste Edmund Forschbach im Auftrag von Bundesinnenminister Robert Lehr (CDU) eine Ausarbeitung über die Aufgaben und den Aufbau einer „Bundeszentrale für Heimatdienst“ und legte diese Ministerialdirektor Hans Globke im Bundeskanzleramt am 23. Oktober 1951 vor. Darin heißt es: „Da die Gefahren für die Demokratie ihre Ursachen nicht nur in der Agitation und den hochverräterischen Bestrebungen ihrer Feinde haben, sondern mindestens ebenso darin, dass unser Volk in weiten Teilen mit der Demokratie nichts anzufangen weiß (…), bedarf die Tätigkeit des Amtes für Verfassungsschutz einer Ergänzung in positiver Hinsicht. Die Behörde für den ‚positiven‘ Verfassungsschutz muss die Bundeszentrale für Heimatdienst (Bz.f.H.) werden. (…) Die Wahlberechtigten werden fast ausschließlich durch Appelle an das Gefühl zu demokratischem Denken und Handeln aufgefordert. Der Appell an das Gefühl aber gibt dem politischen Hasardeur jede Chance, die unwissenden Massen in die Irre zu führen. (…) Am Anfang der Arbeit der Bz.f.H. muss deswegen die Erkenntnis stehen, dass die Nachahmung der ‚Aufklärung‘ und ‚Propaganda‘ der Diktaturstaaten nicht in Betracht kommen kann“.[5] Forschbach knüpfte im Hinblick auf den Namen der projektierten Institution an eine Organisation an, die als „Reichszentrale für Heimatdienst“ im November 1919 etabliert worden war, wobei der antiquiert erscheinende „Heimatdienst“-Begriff auf eine problematische Vorgeschichte verweist, die noch in die Endphase des Ersten Weltkriegs zurückreicht. Denn die im März 1918 auf Wunsch der Obersten Heeresleitung gegründete „Zentralstelle für Heimatdienst“ sollte die Widerstandskraft der Heimatbevölkerung ideologisch stärken – komplementär zur „Zentralstelle für Frontdienst“, die „Vaterländischen Unterricht“ für die Truppe anbot. Die Reichszentrale für Heimatdienst konzentrierte dann „staatsbürgerliche Aufklärung“ auf die „Erziehung zum Staat“, indem sie über die Grundlagen der parlamentarischen Demokratie, aber auch über das konkrete Regierungshandeln informierte. Sie führte „Staatsbürgerliche Lehrgänge und Bildungstage“ durch und publizierte auch Broschüren und Bücher in einem eigenen Verlag. Im August 1920 erschien die erste Ausgabe der Halbmonatsschrift „Heimatdienst“, die sich außenpolitisch auch mit deutlicher Kritik am Versailler Vertrag positionierte. Die Zentrale war dem Pressechef der Reichsregierung unterstellt, bevor sie 1927 in die Reichskanzlei eingegliedert wurde. Leiter der Reichszentrale war seit ihrer Gründung bis zu ihrer Auflösung (auf Beschluss der NS-Regierung vom 15. März 1933) Richard Strahl.[6] Ihre Zuständigkeiten wurden dem zwei Tage zuvor neu eingerichteten Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda unter Joseph Goebbels übertragen. So konnte die Reichszentrale für Heimatdienst in der jungen Bundesrepublik als Opfer der Nazi-Machteroberung gelten und die Bundeszentrale für Heimatdienst an eine in mancher Hinsicht durchaus fragwürdige politische Bildungstradition der Weimarer Republik ausdrücklich anknüpfen.

Dass die Zuordnung der projektierten Bundeszentrale zum Bundesinnenministerium erfolgte, hängt freilich nicht nur mit dem Aspekt des positiven Verfassungsschutzes zusammen, sondern ist auch durch die Personenkonstellation während des Entscheidungsprozesses bedingt. Adenauers wichtigste Beamte im Kanzleramt waren Otto Lenz – 1951–1953 Staatssekretär und Chef des Bundeskanzleramtes – und vor allem Hans Globke – seit 1949 Ministerialdirigent, 1950 Ministerialdirektor im Kanzleramt, seit 1953 Staatsekretär und Amtschef Adenauers bis 1963 –, der erheblich NS-vorbelastet war, sodass eine Verbindung mit demokratischer Bildungsarbeit im Rahmen des Kanzleramts schon aus diesem Grund nicht zweckmäßig erschienen wäre.

Der vorgesehene Gründungsdirektor der Bundeszentrale für Heimatdienst (BZH), Paul Franken, war seit 1935 ein enger Vertrauter Konrad Adenauers. Er hatte dem katholischen Widerstandskreis um Jakob Kaiser und Adam Stegerwald angehört und in dieser Zeit auch mit Robert Lehr in Verbindung gestanden. Wegen längerer „Schutzhaft“ als „politisch Verfolgter“ eingestuft, war Franken nach dem Krieg zunächst als Privatlehrer tätig, bevor er 1949 als Dozent und 1950 als Direktor an der Pädagogischen Hochschule Vechta wirkte.[7] Adenauer hatte seinen langjährigen Freund bereits kurz nach der ersten Bundestagswahl für eine wichtige Funktion vorgesehen und brieflich seinen Wunsch bekundet, von Franken „zu hören, wofür Sie sich besonders interessieren“.[8) Dass Franken, dem Adenauer zunächst die Funktion eines Regierungssprechers nahegelegt hatte, dem Projekt einer zentralen Einrichtung für politische Erziehung und Bildung Interesse und Sympathie entgegenbrachte, kann nicht verwundern, zumal auch der ihm zugeordnete Innenminister Lehr auf eine integre politische Vergangenheit zurückblicken konnte. Lehr hatte als langjähriger Oberbürgermeister von Düsseldorf wegen seiner oppositionellen Haltung gegenüber den Nationalsozialisten im April 1933 sein Amt verloren und in den folgenden Jahren dem Widerstandskreis um Karl Arnold angehört. Wenige Monate nach Forschbachs Darlegungen zur Institutionalisierung der politischen Bildung wurde Franken in den konkreten Planungsprozess eingebunden. Bei der BZH sollten – wie Franken auf einer Pressekonferenz am 8. Mai 1952 ausführte – „parteipolitische Tagesfragen“ und „alle Fragen des deutschen Ostens“ ausgeklammert sein. Bundesminister Lehr ergänzte, die BZH solle „eine ganz streng überparteiliche Stelle“ sein, „die, soweit sie Material sammelt und an die Öffentlichkeit bringt, nur absolut einwandfreies, wissenschaftliches Material liefert“. Sie sei „kein Propagandainstrument der Bundesregierung, (…) kein Organ des Ministeriums des Innern, und infolgedessen zusammengesetzt aus Vertretern aller fachlichen Richtungen.“[9) Der 25. November 1952 markiert den Beginn der staatlichen, überparteilichen politischen Bildung in der Bundesrepublik Deutschland. Mit Erlass des Bundesministers des Innern wurde die BZH, 1963 umbenannt in „Bundeszentrale für politische Bildung“, als nachgeordnete Behörde im Geschäftsbereich des Ministeriums aus der Taufe gehoben. Im Gründungserlass wurde der BZH die Aufgabe übertragen, „den demokratischen und europäischen Gedanken im deutschen Volke zu festigen und zu verbreiten“.[10] Die anfangs vier Referate wurden mit Personen aus dem Umfeld der NS-Gegnerschaft besetzt und politisch nicht einseitig ausgewählt.[11] Der erste zuständige Aufsichtsreferent im BMI, Carl H. Lüders, war bis zu dessen Rücktritt (im Oktober 1950 aus Protest gegen die Wiederbewaffnungspläne Adenauers) persönlicher Referent Gustav Heinemanns gewesen. Das erklärt die vergleichsweise unabhängige Stellung der Anfangsjahre.[12] Dass die BZH als überparteiliche Einrichtung arbeiten sollte, wurde institutionell durch die Bildung des Kuratoriums unterstrichen, das sich zunächst aus 15 Bundestagsabgeordneten zusammensetzte und das die Arbeit des Hauses bis heute begleitet.[13] Titelblatt des Gesamtverzeichnisses der Publikationen der Bundeszentrale für Heimatdienst und der Bundeszentrale für politische Bildung, herausgegeben zum 40-jährigen Bestehen der BpB

Schon in den Anfangsjahren der BZH entwickelte sich ein lange Zeit vorherrschendes Arbeitsprofil: Öffentlich selbst in Erscheinung trat die BZH vor allem über ihre Publikationen, eigene Aktivitäten wurden also in erster Linie mit auflagenstarken Printprodukten entfaltet, von denen die Zeitschrift „Aus Politik und Zeitgeschichte“, die Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament“, und die „Informationen zur politischen Bildung“ mit ihrem hohen Verbreitungsgrad einen erheblichen meinungsbildenden Einfluss hatten und deshalb auch besonders deutlich erkennen lassen, auf welchem Niveau die geistig-politische Auseinandersetzung mit dem Kommunismus in dieser staatlichen politischen Bildungseinrichtung geführt wurde. Indirekt und mittelbar wurde sie in einem erheblichen Umfang durch die finanzielle Förderung unterschiedlichster „freier Träger“ – unter denen sich auch militant antikommunistische Gruppierungen befanden – wirksam, ohne sich für deren Aktivitäten öffentlich in Verantwortung nehmen zu lassen.

Publikationen der Bundeszentrale für Heimatdienst

Es gibt zwar einige wenige Beiträge, die sich mit der Geschichte der Bundeszentrale beschäftigen[14], aber bisher fehlen Studien, die sich auch inhaltsanalytisch orientieren, also die Publikationen der BZH in den Mittelpunkt rücken, mit denen diese unmittelbar Prozesse der Informationsvermittlung und der Urteilsbildung beeinflusst und mitgestaltet hat.

Mit der Gründung der BZH war die Übernahme der zuvor seit September 1950 kommerziell herausgegebenen Wochenzeitung „Das Parlament“ verbunden.[15] Die Wochenzeitung hatte ihren Schwerpunkt in der auszugsweisen Dokumentation von Bundestagsdebatten, doch wurden dort auch – betreut von einer Miniredaktion mit ursprünglich zwei Redakteuren – andere politische Themen einbezogen, zu denen die gelegentliche Berichterstattung über die „Sowjetzone“ und die Auseinandersetzung mit dem Kommunismus gehörte. Hierzu erschienen bis 1963 zehn Themenausgaben. Als Leitmedien der BZH, die sich mit einem deutlich differenzierten Anspruchsniveau einerseits an wissenschaftsorientierte bildungsqualifizierte Milieus, andererseits an eine breitere Öffentlichkeit, vorrangig aber an Adressaten in den Schulen wandte, sind die Wochenzeitschrift „Aus Politik und Zeitgeschichte“ sowie die „Informationen zur politischen Bildung“ von grundlegender Bedeutung. Dies gilt sowohl allgemein im Hinblick auf Konzepte und Inhalte einer demokratischen politischen Bildung als auch speziell für die geistig-politische Auseinandersetzung mit dem Kommunismus.

„Aus Politik und Zeitgeschichte“

„Aus Politik und Zeitgeschichte“ (APuZ), die Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament“, ist seit ihrer Gründung bis heute das anspruchsvollste publizistische Medium der Bundeszentrale. Die Zeitschrift erscheint seit Ende November 1953 regelmäßig (zuvor hatte es in der zweiten Hälfte desselben Jahres bereits acht Sonderbeilagen gegeben), sie wurde bis 1956 von Paul Franken persönlich mit nur einer Hilfsreferentin betreut.[16] In „APuZ“ waren dabei Beiträge zur demokratischen Erziehung – etwa von Walter Dirks, Theodor Litt und Eduard Spranger –[17], zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus und zur Geschichte der NS-Diktatur zwar prioritär[18], doch wurde schon seit dem ersten Jahrgang auch die Auseinandersetzung mit dem Kommunismus häufig thematisiert.[19] Während Themen zur kommunistischen Ideologie überwiegend in Originalbeiträgen präsentiert wurden, stammten Analysen zum Ost-West-Konflikt in den ersten Jahrgängen fast ausschließlich von amerikanischen und britischen Autoren.

Im Hinblick auf die kommunistische Ideologie fällt ein Beitrag von Helmut Gollwitzer über „Die geistige Auseinandersetzung mit dem Kommunismus als unsere Aufgabe“[20] besonders in den Blick, der im Juni 1954 publiziert wurde. Es handelt sich um einen Vortrag, den Gollwitzer vor Angehörigen der Dienststelle Blank gehalten hatte. Dieser Beitrag ist aus drei Gründen bemerkenswert und für die damalige Zeit – der KPD-Verbotsprozess war bereits drei Jahre zuvor initiiert worden – ganz erstaunlich: (1) Gollwitzer würdigt Karl Marx als einen „der großen Denker des 19. Jahrhunderts“ und erklärt: „Ich könnte keinen Historiker, Sozialökonomen, Sozialpolitiker, aber auch keinen Pädagogen ernst nehmen, der nicht in irgendeiner Weise auch marxistische Gedanken in sein Denken aufgenommen hätte.“ (2) Er wendet sich entschieden gegen Gesinnungsschnüffelei: „Es ist im Marxismus in der Erkenntnis der Entwicklungsgesetze des Kapitalismus, in der schonungslosen Diagnose unserer Zeit soviel einzelnes Wahres, es hat sich auch soviel durchgesetzt, daß es nur borniert ist, etwa heute im Zuge der amerikanischen Hexenjagd nun auch einzelne Professoren zu durchleuchten, wieweit sie marxistische Gedanken aufgenommen haben“. (3) Ideologiegeschichtlich akzentuiert Gollwitzer einen fundamentalen Unterschied zwischen der NS-Weltanschauung und dem Marxismus. Er erkennt in der marxistischen Weltsicht „die Stärke, daß sie auch dem Verstand entspricht und ihn befriedigt, die der Nationalsozialismus mit seinem Mystizismus nicht hatte.“ Im Ausblenden der sozialpolitischen Herausforderung des Marxismus sieht Gollwitzer den Grund dafür, dass China ein kommunistischer Staat geworden sei: „China ist das Ergebnis einer versäumten Sozialreform.“ In seinem Beitrag hebt er allerdings gleichzeitig den fundamentalen Unterschied hervor, den er zwischen Marx und den kommunistischen Diktaturen der Gegenwart konstatiert. Gollwitzer markiert dezidiert eine Kluft zwischen dem Marxschen Humanismus als „Aufbruch zur Befreiung des Menschen. Und am Ende steht das schlimmste Sklavensystem, das wir in der europäischen Geschichte kennen.“ Stärker ausgeprägt als bei Gollwitzer verbindet sich in einem zwei Jahre später erschienenen Beitrag von Wenzel Jaksch[21] die Marx-Deutung mit dem politischen Interesse eines engagierten Sozialdemokraten, sich unmissverständlich vom Sowjetkommunismus abzugrenzen, ohne die ideengeschichtlichen Wurzeln der sozialistischen Bewegung zu verleugnen: „Die Schwäche der geistigen Widerstandsfront in Westdeutschland kommt entscheidend aus gewollten und ungewollten Mißverständnissen über die Identität von Marxismus und Sowjet-Kommunismus. (…) Meine Aussage ist, daß die üblichen antimarxistischen Schlagworte als geistige Waffen für die Auseinandersetzung mit dem Osten völlig untauglich sind. Marx ist nun einmal einer der größten Propheten des industriellen Zeitalters (…) Manche seiner Thesen sind heute überholt, aber in entscheidenden Punkten hat er recht behalten, nämlich, daß der Mensch des industriellen Zeitalters sein Leben bewußt gestalten muß, wenn er nicht zum Werkzeug unkontrollierbarer Kräfte herabsinken will.“[22] Jaksch plädiert daher für ein „Programm der sozialen Aufrüstung“, die er mit der Zielsetzung der deutschen Wiedervereinigung verbindet: „Die Sozialordnung Westdeutschlands und später Gesamtdeutschlands ist das Schaufenster der freien Welt gegenüber den Satelliten-Völkern.“ Diese frühen Beispiele illustrieren einen Denkansatz in der Auseinandersetzung mit dem Kommunismus, der Marx‘ Ideen kritisch gegen den totalitären Staatssozialismus der kommunistischen Parteiherrschaft in Anschlag bringt.[23] Er antizipiert damit eine Form der Kritik am internationalen Kommunismus, der in der Systemauseinandersetzung seit den ausgehenden 1960ern bis zum Ende der 1980er-Jahre vorherrschend werden sollte. Dieser Sichtweise steht eine andere Richtung entgegen, die den Marxismus als eine Art Opium für die westliche Intelligenz betrachtet und daher die Auseinandersetzung mit dem Kommunismus unter das Vorzeichen von Bedrohungsvorstellungen rückt. Ideologietheoretisch sind hier vor allem die Schriften von Joseph M. Bochenski und Gustav A. Wetter hervorzuheben.[24] Beide Autoren interessieren sich kaum für Marx, den Bochenski praktisch ignoriert, und behandeln die sowjetische Ausprägung der kommunistischen Ideologie und ihre politischen Implikationen.

Bochenskis Sichtweise wird zuerst im Februar 1956 unter dem Titel „Die kommunistische Ideologie und die Würde, Freiheit und Gleichheit der Menschen im Sinne des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vom 23.5.1949“ publiziert. Es ist der Wortlaut seines im Auftrag der Bundesregierung verfassten (dem Bundesverfassungsgericht am 3. März 1955 vorgelegten) Gutachtens für den KPD-Verbotsprozess, ohne dass auf diesen Sachverhalt verwiesen würde. Bochenski lässt für seine Analyse nur die sowjetische Marx-Interpretation gelten: „Jeder Versuch, die Ideologie des Kommunismus aus anderen Quellen herzuleiten, muß als unwissenschaftlich abgelehnt werden. Insbesondere ist es ganz verfehlt, das Verständnis dieser Ideologie aus eigener Deutung der Schriften Marx‘ oder auf Grund einer der zahlreichen nicht-kommunistischen Interpretationen desselben Verfassers gewinnen zu wollen.“[25] Wetters Beitrag „Der dialektische Materialismus“ bezieht sich im Wesentlichen auf die mentalen und sozialpsychologischen Wirkungen der sowjetkommunistischen Ideologie und die Risiken für die westlichen Gesellschaften: „Es ist nämlich dieser Lehre eigen, daß sie selbst ihre Gegner, selbst gegen ihren Willen und ohne daß sie es merken, bis zu einem gewissen Grade formt. (…) Was aber hier entscheidend ist, ist die Tatsache, daß hinter dieser Lehre ein totalitäres Machtsystem steht, welches seine gesamte politische Tätigkeit sowie das ganze kulturelle Leben des Landes nach dieser Lehre ausrichtet und jeder anderen die Möglichkeit entzieht, sich zu entfalten und auszubreiten.“ Wetter hebt die Funktion der kommunistischen Ideologie als „Religionsersatz“ und als „Pseudoreligion“ hervor und macht demgegenüber das Wertefundament des Westens aus Antike und Christentum geltend.[26] Resümiert man die theoretischen Beiträge zum Kommunismus in „APuZ“, dann zeigt sich, dass die beiden Grundansätze der geistig-politischen Auseinandersetzung mit dem Kommunismus, die auch in den folgenden Jahrzehnten in Erscheinung treten, bereits in den 1950er-Jahren präformiert worden sind: Während die Richtung einer aufgeklärten Marxexegese die Gegensätze zwischen Karl Marx und dem Sowjetkommunismus hervorhebt, vertritt die antikommunistische Fundamentalkritik die These, dass es zwischen Marx, Lenin und Stalin einen inneren Zusammenhang gebe, sodass die Realität der sowjetkommunistischen Diktatur in dieser Perspektive als Konsequenz des Marxschen Denkens gedeutet wird. Auch zum Ost-West-Konflikt erscheinen bereits in den ersten „APuZ“-Jahrgängen zahlreiche Beiträge. Dabei fällt auf, dass deutsche Sichtweisen zunächst fast vollständig fehlen, die meisten Beiträge stammen von renommierten amerikanischen Autoren, darunter auch prominente Politiker; es handelt sich meist um übersetzte Nachdrucke aus renommierten Fachzeitschriften wie „Foreign Affairs“. Es finden sich Beiträge von Politikern wie Winston Churchill (B 42/54) und John Foster Dulles (B 42/54 und 51/54), vor allem aber von führenden Kommunismusexperten wie George F. Kennan, Henry A. Kissinger und Richard Löwenthal. In den vier letzten Ausgaben des Jahres 1954 bringt „APuZ“ Vorabdrucke aus Kennans weit ausgreifendem Buch „Das Amerikanisch-Russische Verhältnis“. Es schließt mit der Erkenntnis: „(…) gerade weil diese Spannung so tief im Werdegang unserer Epoche verwurzelt ist, soll man anerkennen, daß sie nicht auf einmal, nicht mit irgendeinem einzelnen Handgriff und erst recht nicht mit den fatalen Mitteln aggressiver Gewalt zu lösen ist.“[27] Ähnlich argumentiert auch Roger Makins, britischer Botschafter in den USA, in seinem Beitrag „Die Welt nach dem Kriege: Die dritte Phase“.[28] Gegenüber den beiden bedrohlichen Alternativen, einem totalen thermonuklearen Krieg oder einer Selbstpreisgabe des Westens durch Schwäche, gibt es für Makins in der gegenwärtigen, dritten Nachkriegsphase der Ost-West-Auseinandersetzung nur einen vernünftigen Weg: „Ich kann nicht glauben, daß das sowjetische System so vollkommen der menschlichen Psyche und wirtschaftlichen Gesetzmäßigkeit entspricht, daß es sich nicht selbst widerlegt oder im Laufe der Zeit verändert, wenn wir nur unsere Stärke und den Glauben an unsere Ideale bewahren. (…) Nach meiner Ansicht müssen wir uns in der dritten Phase in dieser einzig annehmbaren politischen Richtung bewegen. Die (…) äußerste Wachsamkeit fordernde Form der Koexistenz ist keineswegs die Welt, die wir uns erhofften. Doch verfügen wir über genügend Kraft- und Energiequellen und über Schutzmöglichkeiten, um den uns am Herzen liegenden Dingen des Lebens weiter nachgehen zu können. Die beiden übrigen Alternativen sind unerträglich, weil wir die heiligsten Güter des Lebens aufgeben und uns selbst zerstören würden.“ Ein Vierteljahr später begegnet uns der noch in London lebende Autor Richard Lowenthal (sic!) mit seinem Beitrag „Bedingungen für den Frieden“.[29] Löwenthal kommentiert zum Kalten Krieg: „Er wäre durchaus zu beenden und die uns drückende militärische und seelische Last könnte gewiß verringert werden, auch wenn der ideologische Streit fortdauern sollte. Aber zu diesem Ergebnis kann es nur kommen, wenn die wichtigsten Streitfälle auf diplomatischem Wege beigelegt werden.“ Als „drei wichtige Gruppen ungelöster Fragen“ nennt Löwenthal den asiatischen und den europäischen Komplex sowie das Abrüstungsproblem. Schließlich mahnt er, sich durch Bedrohungsvorstellungen nicht in der intellektuellen Freiheit auf der Suche nach Konfliktlösungen einschränken zu lassen: „Totalitäre Staaten unterdrücken nicht nur ihre unmittelbaren Opfer – die von ihnen ausgehende Gefahr wirft ihre beklemmenden Schatten über die Grenzen hinaus und erstickt jede freie Diskussion, die der Atem der Demokratie ist.“ Wenig später kommt auch Henry A. Kissinger mit seinem Beitrag „Die amerikanische Politik und der Präventivkrieg“ in „APuZ“ zu Wort. Ein Kernsatz lautet: „Die Forderung eines Präventivkrieges ist also von einer Aura der Irrealität umgeben.“[30] Der frühe Erfinder der „Eindämmungspolitik“, George F. Kennan, perzipiert die Sowjetunion Mitte der 1950er-Jahre unter dem Vorzeichen ihrer Machtpolitik und sieht die ideologische Anziehungskraft des Kommunismus weltpolitisch als gering an: „In Wirklichkeit hat die ideologische Anziehungskraft des Kommunismus seit der Mitte der dreißiger Jahre allgemein nachgelassen. Seine Theorien sind in zunehmendem Maße als die Dogmen einer außergewöhnlich primitiven und starren Scheinwissenschaft erkannt und verurteilt worden, die sich heute in ihren meisten Hypothesen als falsch herausgestellt hat und deren Prophezeiungen in vielen Fällen von den tatsächlichen Ereignissen Lügen gestraft worden sind. Das Prestige der Sowjetunion fußt heute in zunehmendem Maße auf ihrer Fähigkeit zu rücksichtsloser Organisation, ihrer strengen Disziplin und der furchterregenden militärischen Stärke, was nichts mit geistigen Qualitäten zu tun hat.“ Die Politik der „Eindämmung“ erfordert in dieser Sichtweise, „zu verhindern, daß infolge einer verhängnisvollen Naivität in bestimmten Ländern politische Elemente an die Macht kommen, die unmittelbar von Moskau kontrolliert werden.“[31] Der nüchtern-abwägende Realismus, der in solchen Analysen zur Geltung kommt, konnte auf die öffentliche Urteilsbildung durchaus als Korrektiv gegenüber Bedrohungsvorstellungen wirken, die seinerzeit vor allem auf die Atomwaffen fokussiert waren. Paul A. Hoffman konstatierte im Herbst 1955 in „APuZ“: „Eine Meinungsbefragung ergab kürzlich, daß 73% aller Amerikaner einen Krieg für unvermeidlich halten. Ich fand dies bestürzend und deprimierend: denn gäbe es Krieg, so würde vermutlich die ganze Welt zerstört werden.“[32] Dass die weltpolitische Bedrohung durch die Sowjetunion ein wichtiges Argument für den europäischen Integrationsprozess darstellt, verdeutlicht der Beitrag des russischen Exil-Schriftstellers Michael Prawdin „Rußland, Sowjetrußland oder Europa?“ exemplarisch und mit dramatischem Unterton. Prawdin konstatiert, „daß die russische Gefahr in der Form der Sowjetgefahr Europa gerettet hat, indem sie die europäischen Länder im 20. Jahrhundert zwang, ihre kleinlichen, widerstreitenden Interessen endlich zu vergessen und mit ihrer tausendjährigen Selbstzerfleischung aufzuhören, um sich zu einer kulturellen und administrativen Einheit zusammenzuschließen.“[33] Hier wird ein Motiv erkennbar, das in der frühen Bundesrepublik große Bedeutung hatte: Der Antikommunismus war ein wichtiger Integrationsfaktor für eine demokratische Gesellschaft, die sich ihrer eigenen Werte erst noch vergewissern musste. Als scharfer Kritiker der von Nikita S. Chruschtschow seit 1955 propagierten Politik der „friedlichen Koexistenz“ erweist sich der demokratische amerikanische Präsidentschaftskandidat Averell Harriman 1956, der nachdrücklich und im alarmistischen Tonfall davor warnt, gegenüber der Sowjetunion in Illusionen zu verfallen: „Ihr Ziel ist die Zerstörung alles dessen, woran wir glauben, und die eventuelle Weltherrschaft des sowjetischen Kommunismus. (…) Die Männer des Kreml haben deutlich zu verstehen gegeben, daß es ihr Ziel ist, Feindschaft und Hader und selbst Krieg unter den anderen Nationen aufzurühren, den Nordatlantikpakt aufzubrechen und mittels wirtschaftlicher und politischer Manöver, Propaganda und vorsätzlicher Unruhestiftung die kommunistische Herrschaft über die ganze Welt auszudehnen.“[34] Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass in der Mitte der 1950er-Jahre in den Veröffentlichungen zum Ost-West-Konflikt wissenschaftlich fundierte Beiträge einer realistischen Schule, die auch heute noch durch ihre analytische Nüchternheit bestechen, im Vordergrund gegenüber propagandistisch aufgeladener Polemik stehen. Diese gewinnt jedoch nach dem Realitätsschock der sowjetischen Intervention gegen die ungarische Revolution und der von Chruschtschow seit Ende 1958 initiierten Berlin-Krise, die mit dem Mauerbau im August 1961 ihren desillusionierenden Abschluss findet, an Bedeutung.[35]

Probleme der innenpolitischen Entwicklung in der Sowjetunion werden umfangreich bereits seit der ersten regulären Ausgabe von „APuZ“ behandelt. Bis Anfang der 1960er-Jahre sind dazu etwa 80 Beiträge publiziert worden. Dabei spielen die Zäsur des XX. Parteitages der KPdSU 1956, Ausmaß und Folgen der „Entstalinisierung“, Wandlungen der Sowjetgesellschaft, Ansätze von Wirtschaftsreformen neben den Repressionsmechanismen des Überwachungssystems eine besondere Rolle.[36]

Der Beitrag von Herman(n) F. Achminow über „Die Oberschicht in der Sowjetunion“ kann als exemplarisch für die Art und Weise der Auseinandersetzung mit Problemen der Sowjetunion in „APuZ“ gelten. Diese Ausgabe war – trotz der irritierenden Zählung (47/1953), die jener der Wochenzeitung „Das Parlament“ folgte, als deren Beilage „Aus Politik und Zeitgeschichte“ bis heute erscheint – das erste „APuZ“-Heft überhaupt.

Besonders bemerkenswert war die Publikation des Erfahrungsberichtes der ehemaligen Kommunistin Margarete Buber-Neumann in „APuZ“, 22/1958. In diesem Zusammenhang sind auch verschiedene Erlebnisberichte über die sowjetischen Straflager hervorzuheben, die eine erfahrungsgeschichtliche Dimension, eingangs als empirischer Antikommunismus charakterisiert, einbringen. Neben Beiträgen von Wolfgang Leonhard, Joseph Scholmer, Margarete Buber-Neumann und Albertine Hönig[37] soll hier vor allem auf einen Text von Aurel von Jüchen verwiesen werden, dessen schonungslose Nüchternheit in der retrospektiven Lektüre besonders eindrucksvoll wirkt. „Der Gefangene erfuhr in der tödlichen Abgeschiedenheit eines Lagers im Ural oder am Nördlichen Eismeer hinter hohen Palisaden und Stacheldrahtzonen viel, viel mehr von der Wirklichkeit der Sowjetunion als die Abgeordneten, die auf dem Wege des parlamentarischen Austauschs in die Sowjetunion fahren, oder als die Schriftsteller, die sich zu einem Treffen von Schriftstellern dorthin begeben.“[38] Der evangelische Pfarrer, wegen kirchlicher Jugendarbeit aus der SED ausgeschlossen, 1950 verhaftet und zu 15 Jahren Zwangsarbeit in Workuta verurteilt, hat nach seiner Entlassung 1955 nicht verlernt, differenziert zu denken, indem er das Sowjetsystem als fundamentalen Abfall von den Ideen Marx‘ wahrnimmt und die Koexistenz als alternativlos betrachtet. Die Situation in den anderen kommunistisch regierten Ländern in Europa, den als „Satellitenstaaten“ charakterisierten Regimes, und im kommunistischen China findet dagegen erst nach 1956 Aufmerksamkeit. Dafür liefern die Entwicklungen in Polen[39] und Ungarn wichtige Anstöße. Der Jahrgang 1957 wird durch den Beitrag von Joseph Scholmer über „Die Revolution in Ungarn“ eröffnet. Ihm steht als Motto ein Marx-Zitat („New York Times“, 12.4.1853) voran: „Rußland hat nur einen Gegner: die explosive Macht der demokratischen Ideen und den der Menschheit angeborenen Freiheitsdrang.“ Scholmers Resümee: „Die Bilanz der Sowjets in Ungarn zeigt einen militärischen Sieg und eine politische Niederlage. Moskau hat sich gegenüber den kommunistischen Parteien der freien Welt, den Satelliten und den farbigen Völkern als eine reaktionäre und imperialistische Macht demaskiert. Die vom Kreml propagierte Koexistenz ist unglaubwürdig geworden.“[40] Drei Jahre später wird Henry Kissinger, damals Direktor des Internationalen Seminars der Harvard-Universität, offen formulieren, welche Schlussfolgerungen der Westen aus diesem schockierenden und desillusionierenden Vorgang ziehen muss: „Das Beispiel Ungarn hat schlüssig bewiesen, daß der Westen nicht bereit ist, Aufstände in den Ländern hinter dem Eisernen Vorhang mit eigenen Machtmitteln zu unterstützen.“[41] Ein Sonderfall in der Publikationspraxis von „APuZ“ ist mit dem von Joseph M. Bochenski und Gerhart Niemeyer herausgegebenen „Handbuch des Weltkommunismus“ (1958) verbunden: Der Titel des Werkes ist irreführend, handelt es sich doch um eine Darstellung, die fast ausnahmslos auf die Sowjetunion fokussiert ist. Das Buch, dessen Textteil 640 Druckseiten umfasst, wird in insgesamt zehn Ausgaben von „APuZ“ mit geringfügigen Kürzungen nahezu vollständig vorabgedruckt.[42] Die Zielsetzung dieser Publikation wird von den Herausgebern in ihrem Vorwort umrissen: „Bisher fehlte ein relativ kurzes, allen Gebildeten verständliches Werk, das eine zuverlässige Darstellung der wichtigsten Aspekte des Kommunismus mit Belegen aus den Quellen und aus erstklassiger Literatur enthält.“[43] Rückblickend wirkt dieses Handbuch mit seiner starken Akzentuierung auf die ideologische Programmatik reichlich abstrakt, weil darin die Analyse konkreter, mit empirischen Daten gestützter Entwicklungsprozesse weitgehend ausgeblendet bleibt.

Grundlegend für die Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen System der Volksrepublik China war der Beitrag von Karl F. Wittfogel in „ApuZ“, 19/1958. Das kommunistisch regierte China[44] wird 1957 noch als „Juniorpartner Moskaus“ wahrgenommen.[45] In Beiträgen, die nach dem August 1958 erscheinen, als Mao Tse Tung mit der Propagierung der „Volkskommunen“[46] eine beschleunigte Entwicklung zum Kommunismus (den „Großen Sprung nach vorn“) und damit mittelbar einen Vorrang gegenüber der Sowjetunion postuliert hatte, rückt der ideologische Gegensatz zur Sowjetunion zunehmend in den Vordergrund.[47] In diesem Zusammenhang ist ein erstaunlicher Vorgang zu registrieren: Erst- und einmalig druckt „APuZ“ einen Artikel aus der sowjetischen Parteizeitung „Prawda“ vom 12. Juni 1960 nach, der mit den chinesischen Ideologen indirekt, aber unmissverständlich abrechnet.[48] Dass es Ende der 1950er-Jahre vor allem wegen Chruschtschows Koexistenzpolitik auch weltpolitisch erhebliche Differenzen zwischen den beiden kommunistischen Vormächten gab, macht ein Beitrag von Georg Paloczi-Horvath deutlich: „Die Ereignisse des Jahres 1959, die tibetische Revolte, die chinesische Reaktion auf Chruschtschows Amerikareise und seine Friedenspolitik, Chruschtschows Weigerung, sich im chinesisch-indischen Grenzkonflikt eindeutig auf die chinesische Seite zu stellen: all dies sind Symptome für Meinungsverschiedenheiten.“[49] Auffällig ist, dass „APuZ“ die SBZ/DDR in den ersten beiden Jahren ausblendet. Dies fiel in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen (BMG), das diesbezüglich mit Nachdruck eigene Zuständigkeit reklamierte[50] und mit dem „SBZ-Archiv“ ein themenspezifisches Periodikum etabliert hatte.[51] Seit Mitte 1955 wird allerdings argumentiert, dass DDR-Themen von der BZH dann aufgegriffen werden könnten, wenn sie den Themenbereich der Ost-West-Auseinandersetzung einbeziehen würden. Der erste Beitrag hierzu, „Ursachen und Motive der Abwanderung aus der Sowjetzone Deutschlands“[52], ist die Kurzfassung einer „Ausarbeitung“ von Johannes Kurt Klein für das BMG, eine faktenreiche Analyse der Entwicklung, offenbar durch das Ministerium angeregt, zeitlich in unmittelbarer Nähe zum zweiten Jahrestag des 17. Juni 1953 platziert. Auch wenn in der Folgezeit die Entwicklung in der DDR eher sporadisch in das Programm von „APuZ“ aufgenommen wird[53], behält sich das BMG das prioritäre Informationsrecht für diesen Bereich, realisiert mit einer „zweigeteilten Publikationspraxis“, mit eigenen Veröffentlichungen ebenso wie durch gezielte Förderung von antikommunistischen Verlagsprojekten, weitgehend selbst vor.[54]

Nach dem KPD-Verbot durch das Bundesverfassungsgericht vom 17. August 1956, das vom „Parlament“ in einer Themenausgabe (35/1956) dokumentiert wird, rückt die Abwehr von kommunistischer Infiltration, Bedrohung und Propaganda kurzzeitig in den Fokus von „APuZ“, durch offensichtlich vom BMI veranlasste anonyme Beiträge.[55] Nur zwölf Tage nach dem KPD-Verbot erscheint ein Text, der die staatlich erwünschte Nutzanwendung akzentuiert. Ausgehend von Bedrohungsvorstellungen werden Gegenstrategien gefordert, die den Eindruck vermeiden sollen, für bloße antikommunistische Propaganda zu plädieren: „Der Bürger der Bundesrepublik muß sich von der Vorstellung befreien, Kommunisten seien von außen zu erkennen, ihre Methoden seien primitiv. Er muß sich daran gewöhnen, daß die Kommunisten heute hinter jeder Maske auftreten und sich aller Erscheinungsformen des öffentlichen Lebens, aller gesellschaftlichen Schichten und Personen bedienen. (…) Es gilt (…), durch wissenschaftliche Tätigkeit und breite Information das deutsche Volk gegen die kommunistische Ideologie zu immunisieren, die Interessen der Arbeiterschaft stärker zu berücksichtigen, von der oberflächlichen Einschätzung und billigen Schwarz-Weiß-Agitation abzukommen und eine gründlich differenzierte Erziehungsarbeit, vor allem bei der Jugend, zu leisten. Es wird viel davon abhängen, durch Presse, Funk und Fernsehen wirkliche Sachkenntnis über die Politik der KPdSU und ihr System zu verbreiten und mehr als bisher die positiven Seiten der westlichen Demokratie ins Bewußtsein der Öffentlichkeit zu bringen.“[56]

„Informationen zur politischen Bildung“

Die „Informationen zur politischen Bildung“ wurden bereits im Startmonat der Bundeszentrale für Heimatdienst (November 1952) noch unter fremder Regie verlegt. Vom Staatsbürgerlichen Aufklärungsdienst Wiesbaden herausgegeben, wurden die ersten beiden Folgen als bloße Übernahmen deklariert. Ab Folge 3 („Europa, was es ist und werden kann“, Januar 1953) erschienen die zunächst nur jeweils vier Seiten umfassenden Informationsblätter, die für Schulen und Betriebe bestimmt waren, „im Einvernehmen mit der Bundeszentrale“, ab Folge 12 (September/Oktober 1953) zeichnete die BZH selbst als Herausgeberin verantwortlich, ab Folge 20 wurde der Umfang sukzessive erweitert. In der Folge 4 wurde zum ersten Mal der Titel „Informationen zur politischen Bildung“ verwendet. Im Folgenden wird ein Überblick über Themen und Darstellungsweise der „Informationen“ gegeben, die sich in den 1950er-Jahren im weiteren Sinn mit dem Kommunismus auseinandergesetzt haben. Auflagenhöhe und Adressatengruppen lassen es reizvoll erscheinen, einen Vergleich mit dem Programm von „APuZ“ zu ziehen. Summarisch betrachtet wirken die Texte der „Informationen“ eher volkspädagogisch, zeichnen sich jedoch ganz überwiegend durch sachliche Informationsvermittlung aus, auch wenn sie qualitativ nicht mit dem anspruchsvollen Angebot von „APuZ“ konkurrieren können.

Die „Informationen“ haben bis 1963 zwei separate Adressatengruppen. In textgleichen Ausgaben sind die „Informationen zur politischen Bildung“ (zunächst vorrangig für die „Hand des Lehrers“ als Vermittlungsangebot gedacht) für die Schulen bestimmt, während sich die „Staatsbürgerlichen Informationen“ in erster Linie an Betriebe (über Redakteure von Werkzeitungen etc.) richten.[57] Anregungen zu einer politischen Elementarbildung sollen die Arbeiterschaft als Zielgruppe erreichen. Bis Dezember 1962 wurden insgesamt 100 Ausgaben publiziert. Seit Ende 1963 erscheinen die „Informationen zur politischen Bildung“ nur noch unter diesem Titel, sie werden zwar überwiegend in Schulen genutzt, stehen aber auch anderen Bestellern kostenlos zur Verfügung. Bereits 1964 nähert sich die Gesamtauflage pro Heft der Millionengrenze, das entspricht zum gleichen Zeitpunkt dem Zehnfachen der Auflage, die „APuZ“ als wissenschaftlich fundiertes Informationsmedium aufweist.[58] Auch wenn für die „Informationen“, von denen seit Anfang der 1960er-Jahre etwa vier neue Ausgaben pro Jahr erscheinen, ein deutlicher Anstieg des Anspruchsniveaus, eine erhebliche Ausweitung der Umfänge und die Einbeziehung oft umfangreichen kartographischen Materials registriert werden können, steht die Verständlichkeit der Texte für breite Nutzergruppen bis heute im Vordergrund. Das erste Heft der „Informationen zur politischen Bildung“, das sich der deutschen Teilung widmet, wird im Mai 1953 (Folge 7) zum Thema „Berlin – Vorposten der Freiheit“ publiziert. Knapp werden die Geschichte der politischen Spaltung Berlins wie auch die Berlin-Blockade referiert, ebenso der Rechtsstatus „Westberlins“, bevor dieses als „Leuchtturm der Freiheit“ und als „Sammelpunkt des Flüchtlingsstroms aus der Sowjetzone“ mit statistischen Angaben für das Jahr 1952 gewürdigt wird, in dem Walter Ulbricht auf der 2. Parteikonferenz der SED den „Aufbau des Sozialismus“ in der DDR angekündigt hatte, „d. h. die völlige Angleichung an die Verhältnisse in der Sowjet-Union“. Seitdem flüchteten „mehr und mehr Menschen, denen es unerträglich geworden ist, sich weiterhin dem bis in die letzte private Sphäre hineinreichenden Terror zu beugen: Es sind (…) all jene, die sich bedroht fühlen, weil sie aus politischen oder religiösen Gründen nicht mitmachen können und wollen.“ (4)

Es fällt auf, dass die „Informationen“ frühzeitig einen Themenschwerpunkt setzen, der in „APuZ“ bis 1958 ausgeblendet bleibt. Im September 1953 erscheint eine Ausgabe über „Die Gebiete jenseits der Oder und Neisse“ (Folge 11), die nach einem kurzen historischen Überblick über die Geschichte des deutschen Ostens auf die Vertreibungen eingeht: „Der Versuch einer totalen Vertreibung der Deutschen aus dem östlichen Mitteleuropa, der sich im Schicksalsjahr 1945 abgespielt hat, ist nächst dem Dreißigjährigen Krieg vielleicht das tragischste Ereignis der deutschen Volksgeschichte.“ (2) Ausführungen über das kommunistische Regime in Polen werden nicht gemacht, vielmehr wird der Verlust der Oder-Neiße-Gebiete aus den territorialen Ansprüchen Stalins in Ostpolen erklärt. Die Lösung des Problems sei eine „Frage der Weltpolitik geworden, die nach menschlichem Ermessen durch internationale Regelungen entschieden werden wird“. Hervorgehoben durch Sperrdruck ist der Satz: „Die Entfesselung eines dritten Weltkrieges zur Wiedergewinnung des deutschen Ostens wird vom deutschen Volk eindeutig abgelehnt.“ (6) Um diese Haltung zu unterstreichen, wird ausdrücklich auf die Charta der Heimatvertriebenen vom 5. Augst 1950 verwiesen, die „einer Politik der Rache und Vergeltung in feierlicher Form entsagt“ (6). Mitte 1956 erscheinen zwei weitere Ausgaben über „Die deutschen Ostgebiete“ (Folgen 42/43 und 44/45), die im ersten Teil „Geschichte und kulturelle Leistung“, im zweiten Teil „Die wirtschaftliche Bedeutung“ behandeln. Bezeichnend ist, dass ganz überwiegend auf die lange Historie eingegangen wird, während jeweils nur ein kurzer Schlussabschnitt die Zeit nach 1945 thematisiert. Die Resümees lauten: „Kein Deutscher wird einen Verzicht auf diesen Ostraum, die Heimat vieler Millionen Vertriebener, aussprechen. Nur eine aus freien Wahlen hervorgegangene gesamtdeutsche Regierung wird – entsprechend dem Völkerrecht – in einem kommenden Friedensvertrage zu bindenden Abmachungen über die Ostgebiete kommen können.“ (I, 8) Im Sinne der europapolitischen Orientierung der Bundesrepublik wird eine gemeinsame Interessenlage und Verantwortung auch im Hinblick auf den Verlust der deutschen Ostgebiete betont: „Durch die Sowjetisierung des ostdeutschen Wirtschaftsgebiets ist ein seit achthundert Jahren deutscher Kultur- und Wirtschaftsraum nicht nur dem deutschen Volke, sondern auch den Völkern Westeuropas entzogen worden. Vor der Tatsache, daß in die ostdeutschen Gebiete ein Wirtschaftssystem eingedrungen ist, das das Leben der freien Völker bedroht, darf die Welt die Augen nicht verschließen.“ (Folge II, 8) Im Herbst 1958 schließt sich eine weitere Ausgabe unter dem völkerrechtlich akzentuierten Titel „Die Ostgebiete des Deutschen Reiches unter fremder Verwaltung seit 1945“ (Folge 70/71) an, die sich kritisch mit den Verhältnissen im kommunistischen Polen beschäftigt und unter Beifügung entsprechender Karten deutsche Ansprüche auf diese Gebiete unterstreicht, wobei der Friedensvertragsvorbehalt „für die territorialen und politischen Fragen der Oder-Neisse-Gebiete“ im gleichen Sinne wie 1956 wiederholt wird.[59]

Eine Ausgabe zum „Volksaufstand des 17. Juni 1953“ (Folge 19) erscheint im Mai/Juni 1954. Dem von einem knappen Vorwort eingeleiteten Text, der den Zwangscharakter des SED-Regimes hervorhebt und den Aufstand als Ausdruck des Freiheitswillens der Bevölkerung deutet, folgt eine Schilderung des konkreten Verlaufs der Aufstandsbewegung, die auch in den Zusammenhang der Gesamtentwicklung in Osteuropa gestellt wird: „(…) seit dem Tode Stalins, im März des Jahres 1953, ging ein unterirdisches Grollen und Beben durch den gesamten Herrschaftsbereich des Bolschewismus (…) Aber niemand dachte daran, daß es gerade Deutschland sein würde, wo der Funke überspringen, die seelische Erregung entzünden und zum Ausbruch bringen würde.“ (Folge 19/2)

Im Herbst 1954 erscheint eine 20 Seiten umfassende Doppelausgabe (Folge 22/23) über „Die Ost-West-Spannung in der Weltpolitik“. Ausgehend von einer Darstellung der weltpolitischen Situation am Ende des Zweiten Weltkrieges wird die „Bolschewisierung Osteuropas“ und die „Bildung des Ostblocks“ unter sowjetischer Vorherrschaft thematisiert, die zentralen Ost-West-Konflikte, fokussiert um die Berlin-Blockade und den Korea-Krieg, werden dargestellt, schließlich wird die Gründung und Entwicklung der NATO behandelt und ein Überblick über gescheiterte Bemühungen um eine Konfliktbeilegung auf den Außenministerkonferenzen 1954 gegeben. Im März 1956 beschäftigt sich – der vorherrschenden kultur- und wirtschaftshistorischen Ausrichtung folgend – eine Ausgabe der „Informationen“ mit „Mitteldeutschland“ (Folge 40/41), welche bezeichnenderweise die beiden Stifterfiguren des Naumburger Domes, Ekkehard und Uta, auf der Titelseite zeigt. Im Vorwort heißt es denn auch: „DEUTSCHLAND als Lebensraum unseres Volkes und seiner Kultur ist jedoch mehr als ein gegenwärtiger politischer oder wirtschaftlicher Zustand.“ Es gelte sich bewusst zu machen, dass ein Gesamtdeutschland, das durch die „politischen Hilfsbegriffe West-, Mittel- und Ostdeutschland“ bestimmt werde, „nicht nur um uns, sondern auch in uns lebt und damit weitgehend unabhängig von zeitbedingten Territorialregelungen ist.“ Immerhin legt der Text das Schwergewicht auf die „Entwicklung Mitteldeutschlands nach 1945“. Seit Ende 1956 erscheinen bis 1961 insgesamt zehn Ausgaben, die sich mit Entwicklungen in verschiedenen osteuropäischen Ländern beschäftigen. Am Beginn stehen zwei Doppelhefte über die russische Revolution von 1917. Ihr Autor ist Hans Koch, Direktor des Osteuropa-Instituts München, der auch in die frühe Gründungsgeschichte des Ostkollegs seinerzeit prominent involviert war. Die beiden Folgen (48/49 und 50/51) sind faktenreich, ohne polemische Akzente in den Vordergrund zu rücken. Sie werden durchaus dem Anspruch substanzieller Information gerecht, der seit Mitte der 1950er-Jahre generell die Darstellung der „Informationen zur politischen Bildung“ bestimmt.

Noch deutlicher tritt diese Akzentsetzung in zwei Ausgaben hervor, die jeweils „12 Karten mit Erläuterungen zur Geschichte Rußlands und der Sowjetunion“ (Folge 54/55 Mai/Juni 1957) und genau zwei Jahre später „12 Karten und Textbeiträge zur Landes- und Wirtschaftskunde der Sowjetunion“ (Folge 78/79) zum Inhalt haben. Es sind dies die ersten Ausgaben der „Informationen zur politischen Bildung“ mit einem umfangreichen Kartenteil, später ein Markenzeichen von besonderem Gewicht in dieser Publikationsreihe. Anfang 1961 erscheint eine Ausgabe „Das Herrschaftssystem der Sowjetunion“ (Folge 91).[60] Sachlichkeit zeichnet das Anfang 1960 publizierte Heft aus, das „Die Entwicklung in Polen seit 1945“ zum Thema hat.[61] Weniger umfangreich fällt im Herbst desselben Jahres eine Ausgabe über die Entwicklung in der Tschechoslowakei seit 1945 aus (Folge 89), die entschiedener politische Kritik äußert als das vorausgegangene Polen-Heft: „Die Entwicklung in der Tschechoslowakei ist seit dem Umsturz von 1948 durch eine weitgehende Kontinuität gekennzeichnet, ihre Phasen werden überwiegend von den Ereignissen in der Sowjetunion und denen der Weltpolitik bestimmt. (…) Es wäre aber eine Täuschung, wollte man glauben, daß die Bevölkerung in ‚Moskaus treuestem Satellitenland‘ sich in großem Umfang zum Kommunismus bekennt.“ (20) Über ein Jahr verteilt, sind drei Ausgaben seit März 1960 Südosteuropa gewidmet. Mit historischer Fundierung wird die Entwicklung im jugoslawischen Vielvölkerstaat unter Marschall Tito mit seinem eigenen „jugoslawischen Weg“ dargestellt (Folge 86), ein weiteres Heft informiert über Rumänien, Bulgarien und Albanien (88), die dritte Folge betrifft Ungarn (Folge 92). Hier ist unter dem Eindruck der Niederschlagung der Revolution vom Oktober 1956 am bilanzierenden Schluss ein pessimistischer Grundton zu vernehmen: „Das madjarische Volk erträgt die nach dem Scheitern seines Freiheitskampfes wieder errichtete kommunistische Diktatur in stummer Ergebenheit. Vom Westen enttäuscht, der es nach seiner Meinung im Stich ließ, von seinem Schicksal erbittert, versucht es sein Dasein nach den gegebenen, unabänderlichen Umständen einzurichten. Aber es hat innerlich auf die Freiheit trotzdem nicht verzichtet, und es wird darauf auch nie verzichten!“ (16) Etwa ein Drittel der „Informationen“, die im ersten Jahrzehnt (bis Ende 1962) erscheinen, sind Themen gewidmet, die sich mit dem Kommunismus beschäftigen.[62] Auffällig ist dabei der Vorrang länderkundlicher Darstellungen und das erhebliche Gewicht, das im Gegensatz zu „APuZ“ den „deutschen Ostgebieten“ zukommt. Nur eine Ausgabe widmet sich demgegenüber explizit dem Ost-West-Konflikt, und das für „APuZ“ wesentliche Thema der kommunistischen Ideologie wird erstmals 1964 in zwei Ausgaben (Manuskript: Joseph M. Bochenski) aufgegriffen. Diese markante Differenz in den Publikationsprogrammen der beiden BZH-Leitmedien lässt sich einerseits durch die unterschiedlichen Adressatengruppen, andererseits durch die Bezugnahme der „Informationen“ auf die Lehrpläne der Schulen erklären, doch sollte dabei auch der Einfluss der jeweiligen Fachreferatsleiter in der BZH nicht völlig außer Betracht bleiben.

Vorgeschichte einer Neugründung: Die Entstehung des Ostkollegs

Seit Oktober 1955 wird im Bundesinnenministerium verstärkt über die Einbeziehung der Bundeszentrale für Heimatdienst in die Auseinandersetzung mit dem Kommunismus nachgedacht. Am 20. Oktober findet eine „Besprechung zur Frage der Intensivierung des geistigen Impulses gegen den Kommunismus“ statt, an der Vertreter des BMI, des BMG und BZH-Direktor Paul Franken teilnehmen. Staatssekretär Hans Ritter von Lex verweist dabei ausdrücklich auf die psychologischen Folgen des Moskau-Besuchs Konrad Adenauers: „Der Glaube an eine friedliche Koexistenz sei im Vordringen.“ Ein Unterabteilungsleiter des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen mahnt an, „dass durch die Auswahl zuverlässiger Mitarbeiter und entsprechender Kontrolle der Arbeit nicht etwa einzelne Ergebnisse der Forschung in falsch verstandener Objektivität kommunistischen Thesen entsprächen“.[63] Während das BMG den Gesichtspunkt der antikommunistischen Schulung und Propaganda im Vordergrund sieht, vertritt das BMI das Konzept einer wissenschaftlich fundierten pluralistischen Auseinandersetzung, wie es der Aufsichtsreferent für die BZH, Carl H. Lüders, unterstreicht. Er erklärt kurze Zeit später (in einer Besprechung am 21. November 1955), die Demokratie dürfe „nicht bei der Abwehr des Kommunismus in Methoden verfallen, die in ihrer geistigen Uniformität der Kampfart der totalitären kommunistischen Weltanschauung entsprächen. Es sei zu begrüßen, dass die verschiedenen Weltanschauungsgruppen, die in der westlichen Demokratie friedlich unter einem gemeinsamen Dach lebten, in der Auseinandersetzung mit der kommunistischen Lehre ganz verschiedene Standorte bezögen.“ Damit stützt das Haus die Äußerung Frankens aus der interministeriellen Besprechung vom 20. Oktober, wonach die Ergebnisse der Auseinandersetzung subjektiv verschieden ausfallen würden, „je nachdem, in welchem weltanschaulichen Lager der einzelne Wissenschaftler stehe. Die christliche Scholastik, der liberale Humanismus oder der sozialdemokratische Marxismus träten der kommunistischen Lehre von ganz verschiedenen Standorten entgegen.“[64] In einer Kuratoriumssitzung hatte Lüders am 12. März 1956 eine Ergänzung des Auftrags der BZH vorgeschlagen, „hierzu gehört die Verbreitung der Kenntnis des wahren Wesens aller totalitären Ordnungen und Anschauungen“.[65] Doch unterbleibt eine in diese Richtung zielende Erlassergänzung, nicht zuletzt, weil man dagegen Einwände der SPD-Mitglieder im Kuratorium der BZH fürchtete. 1956 scheint es, dass sich die ideologietheoretische Auseinandersetzung mit dem Kommunismus im widerspruchsvollen politischen Kontext des im August (fast fünf Jahre nach der Antragstellung durch die Bundesregierung im November 1951) vom Bundesverfassungsgericht verfügten KPD-Verbots[66] und unter dem Eindruck der sowjetischen Koexistenz-Propaganda, die auch in der Bundesrepublik nach Adenauers Moskau-Reise im Vorjahr und der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur Sowjetunion ihre Wirkung in wichtigen Bereichen der bundesdeutschen Publizistik nicht verfehlt hat, neu akzentuiert.

Die Gründungsgeschichte des Ostkollegs (OK) ist – soweit es die Aktenlage noch ermöglicht – von Werner Maibaum rekonstruiert worden. Nicht hinreichend deutlich wird aus den Akten, die Maibaum im Bundesarchiv gesichtet hat[67], der konkrete Einfluss Joseph M. Bochenskis auf die OK-Gründung. Dass sein Impuls erheblich war, erklärt sich aus dem Umstand, dass Bochenskis Gutachten im KPD-Prozess eine wichtige, für die Begründung des Verbotsurteils maßgebliche Bedeutung haben sollte, wie ein detaillierter Vergleich zwischen seinem vom BMI dem Gericht vorgelegten Gutachten und der Urteilsbegründung zeigen würde.[68]

Nur zwei Monate nach Vorlage des Gutachtens beim BVerfG schreibt Bochenski (am 11. Mai 1955) an Ritter von Lex einen ausführlichen Brief, in dem er erklärt, dass er „über die allgemeine Lage auf der Front des geistigen Kampfes sehr ernst besorgt“ sei, und folgert: „Es besteht also meines Erachtens die dringliche Notwendigkeit, einerseits die Abwehr – und möglicherweise sogar den Angriff – auf geistiger Ebene bedeutend zu intensivieren.“ Dieses Schreiben hat Lex (am 10. Oktober 1955) mehreren Abteilungen im BMI zugeleitet und geäußert, man könne „an eine vom Bund zu errichtende Akademie denken, als deren Leiter sich kaum eine bessere Kraft finden ließe, als Professor Bochenski“.[69] Während Maibaum Bochenskis zentrale Bedeutung für die „Etablierung des Ostkollegs“ hervorhebt, zeigt eine eingehendere Betrachtung der Vorgeschichte, dass sich Bochenskis nachdrücklicher Impuls mit verschiedenen Aktivitäten einflussreicher antikommunistischer Intellektueller (die sich im „Witsch-Kreis“ des Kölner Verlegers Joseph Caspar Witsch zusammengefunden hatten) überschnitt, die unter Initiative des BMI und mit engagierter Beteiligung des Oberregierungsrats im Bundesamt für Verfassungsschutz, Günther Nollau, die BZH als Finanzier und Organisator für verschiedene Versuchstagungen in Anspruch nahmen. Der Oberregierungsrat im Bundesamt für Verfassungsschutz Günther Nollau publizierte auch in „APuZ“, u.a. über den „Internationale(n) Kommunismus – heute“ (13/1961).

Dabei ließ sich anfangs nicht klar erkennen, wie das Verhältnis zwischen einer zentralisierten Kommunismusforschung und einer – wie es hieß – „Elitebildung“ zur Immunisierung gegen kommunistische Propaganda aussehen sollte. Eine Initiative des Direktors des Münchner Osteuropa-Instituts Hans Koch (der Adenauer 1955 als Experte nach Moskau begleitet hatte) versandete schließlich ebenso wie der Versuch, eine Einrichtung zur Elitebildung mit einem (aus der NS-Zeit erheblich vorbelasteten) Leiter/Geschäftsführer Gerhard von Mende zu installieren (wobei der Umstand eines Herzinfarkts von Mendes diesen Plan und seine Einflussmöglichkeit auf die folgende Entwicklung seit Herbst 1956 faktisch außer Kraft setzten).

Man kann es in diesem experimentellen Wirrwarr einen glücklichen Zufall nennen, dass Hans-Joachim Lieber, bei Eduard Spranger an der Freien Universität Berlin habilitierter Professor für Philosophie und Soziologie, im Mai 1956 in die Sondierungsphase als Referent einer der Versuchstagungen in Niederbreisig – nun schon unter der Tagungsregie der BZH – involviert wird, dort großen Eindruck hinterlässt und sich animiert fühlt, im Sommer 1957 in den Explorationsprozess mit einem „Memorandum über den Aufbau des Instituts für ostpolitische Studien in Köln“ substanziell einzugreifen.[70] Am 13. September 1957 fixiert das BMI die Gründungsschritte der Einrichtung, für die kurz zuvor das Kölner Haus am Stadtwaldgürtel angeboten wurde, weitestgehend auf der Basis von Liebers Organisationskonzept: Einrichtung eines wissenschaftlichen Direktoriums mit Programmhoheit.

Die frühe Arbeitsphase des Ostkollegs

Das „Ostkolleg der Bundeszentrale für Heimatdienst“ wird am 22. November 1957 durch Innenminister Gerhard Schröder (CDU) eröffnet.[71] Der Organisationserlass, ebenso wie die Geschäftsordnung des Direktoriums, in Anwesenheit des Ministers mit den Direktoriumsmitgliedern beraten, wird am 28. November verfügt.[72] Der Erlass überträgt „die wissenschaftliche Verantwortung für die Arbeitsplanung des Ostkollegs bis auf weiteres einem Direktorium“, das sich seine Geschäftsordnung selbst gibt.

In beiden Texten wird nichts über die Konzeption des OK ausgeführt, stattdessen wird die wissenschaftliche Eigenverantwortung des Direktoriums, das zunächst aus zehn Mitgliedern besteht[73], und somit seine weitgehende Autonomie für die Programmplanung hervorgehoben. Die Programme der Studientagungen zeigen bereits in den Anfangsjahren, dass der Anspruch, eine wissenschaftlich fundierte Auseinandersetzung mit Theorie und Praxis des Kommunismus zu betreiben, in einer bemerkenswerten Weise eingelöst werden konnte.

Das Spektrum war so pluralistisch, wie es die beiden Protagonisten Bochenski und Lieber signalisieren: der eine als Ratgeber der Bundesregierung im KPD-Prozess, der andere als Herausgeber einer bundesdeutschen Marx-Ausgabe, die seit 1960 erscheint. Lieber wird der erste geschäftsführende Direktor des Hauses (diese Funktion wechselt im Jahresturnus und wird durch Wahl innerhalb des Gremiums bestimmt). Erster hauptamtlich beschäftigter, für die konkrete Programmplanung und die Einladungsaktivitäten zuständiger Studienleiter wird der vom BMI ernannte Rudolf Wildenmann[74], den 1959 der Osteuropahistoriker Karl-Heinz Ruffmann (bis Ende1961) ablöst, der bei der Profilierung des OK eng mit Hans-Joachim Lieber kooperiert. Obwohl im Hinblick auf den Marxismus von konträren Positionen ausgehend, vertreten Lieber und Bochenski, der ihm 1959 nach Günther Stökl als dritter geschäftsführender Direktor nachfolgt, für das Ostkolleg gemeinsam eine Konzeption, die als Ziel die Immunisierung der intellektuellen und politischen Eliten der Bundesrepublik gegen die kommunistischen Ideen durch aufklärende Information verfolgt und diese auf ein wissenschaftliches Fundament zu stellen trachtet. So erklärt sich auch der institutionelle Rahmen des Ostkollegs mit der starken Stellung eines wissenschaftlichen Direktoriums, dem in der Frühzeit mit Gerhard von Mende[75] auch eine vormals massiv in die NS-Politik verstrickte Person „eines undurchschaubaren Intellektuellen und Strippenziehers im Kalten Krieg“[76] angehörte. Obwohl von Mende in den beiden ersten Jahren noch häufig als Referent an Tagungen des OK mitwirkte, hatte er auf die programmatische Ausrichtung und Wissenschaftskonzeption des Ostkollegs keinen nachweisbaren Einfluss. Dass er im Direktorium isoliert war, zeigt auch der Umstand, dass ihm die Position eines geschäftsführenden Direktors versagt blieb. Die Programme des Ostkollegs hatten thematische Kerne (Geschichte, Ideologie, Herrschaftssystem, Wirtschaft, Außenpolitik der Sowjetunion), die in vier bis fünf Einheiten umfassenden „Grundvorlesungen“ behandelt wurden. Diese wurden durch variable Themenaspekte ergänzt, zusätzlich wurden Beiträge zur geistigen Auseinandersetzung mit dem Kommunismus in die Tagungsprogramme einbezogen. Eine Auswertung der Programme für die zehn ersten Tagungen im Ostkolleg[77] zeigt, dass neben den Kernthemen und wechselnden Einzelthemen (wie Rechtssystem, Erziehungssystem, Kirchen, Nationalitäten in der Sowjetunion, „Satelittenstaaten“, China) meist abschließend und kontrastierend über „Die weltpolitische Lage“ (Theodor Schieder), „Europa zwischen Ost und West“ (Walter Hofer) oder das Thema „Der Geist des Abendlandes und das Menschenbild des Kommunismus“ (Theodor Litt) referiert wurde. Auch die beiden für die 1955 gegründete Schule des Bundesamtes für Verfassungsschutz zuständigen Beamten Günther Nollau („Die internationale Zusammenarbeit der kommunistischen Parteien“) und Heinrich Degenhardt („Die Methoden der kommunistischen Politik in der Bundesrepublik“) kamen – allerdings nur in den Anfangsjahren – häufiger im OK zu Wort. Prominente Teilnehmer der ersten Tagungen waren beispielsweise Hermann Pörzgen („FAZ“), Reinhard Appel („Stuttgarter Zeitung“), Franz Herre („Rheinischer Merkur“) sowie mehrere Bundesrichter. Über die Aktivitäten des Ostkollegs in den ersten vier Jahren gibt ein Bericht Aufschluss, den Karl-Heinz Ruffmann, der zu diesem Zeitpunkt seine Funktion als Studienleiter des Ostkollegs aufgab, um den neu gegründeten Lehrstuhl für osteuropäische Geschichte an der Universität Erlangen zu übernehmen, Ende 1961 vorlegte.[78] Bis dahin hatten 123 Studientagungen im Kölner Haus und vier auswärts stattgefunden, darunter waren 96 „Normaltagungen“ (für die seit 1960 der Begriff „Studientagungen“ eingeführt wurde), zehn Kurztagungen für Wirtschaftler und Journalisten (Dauer: dreieinhalb Tage), fünf Sondertagungen für Verwaltungsjuristen (Dauer: 14, dann zehn Tage, darin eine mit Schwerpunkt DDR), drei Sondertagungen für Pädagogen, drei West-Ost- und vier Aufbautagungen (für qualifizierte Teilnehmer aus den Grundtagungen, erstmals 1961 durchgeführt). „Auf den Normaltagungen (Dauer: eine Woche, Teilnehmer: Angehörige verschiedener Berufe) wurden Grundkenntnisse über den Sowjetkommunismus vermittelt. Dabei ergab sich aus den in der Anfangszeit gesammelten Erfahrungen die Notwendigkeit, die eigene Position in der Auseinandersetzung mit dem Kommunismus stärker herauszuarbeiten.“ Mit einem Sonderseminar wirkte das OK bei der Attaché-Ausbildung des Auswärtigen Amtes mit; zudem veranstaltete es Seminare für Stabsoffiziere an der Führungsakademie der Bundeswehr. Unter den 4.444 Teilnehmern stellte der höhere Verwaltungsdienst mit etwa einem Sechstel den höchsten Anteil, je ein Zehntel waren Lehrer an höheren Schulen, Offiziere oder Teilnehmer aus dem Bereich der Wirtschaft, acht Prozent Studenten, drei Prozent waren Hochschullehrer und wissenschaftliche Assistenten, Angehörige der Justiz waren mit sechs Prozent, Journalisten und Gewerkschaftler mit je vier Prozent vertreten, zu geistlichen und anderen kirchlichen Berufen gehörten drei Prozent. 155 Teilnehmer (3,5%) kamen aus dem Ausland, vornehmlich aus der Schweiz und aus Österreich. Insgesamt 120 „wissenschaftlich ausgewiesene Sachkenner“ waren im Zeitraum von November 1957 bis Ende 1961 als Referenten im OK tätig, darunter 26 „führende ausländische Sowjetologen“. Die Grundvorlesungen wurden weitgehend von den Mitgliedern des Direktoriums des Ostkollegs gehalten.

Eine Broschüre des OK, die Ende 1963 auch in drei Fremdsprachen (Englisch, Französisch, Spanisch) gedruckt wurde, enthält neben einem Musterprogramm auch exemplarisch Leitfragen, die im Rahmen der Seminare erörtert werden sollten. Dort heißt es beispielsweise: „Was hat sich in der Sowjetunion seit Stalins Tod verändert? Ist es wahr, dass das kommunistische Russland die USA in der Wirtschaft überholen wird? Warum hat Chruschtschow Veränderungen in der sowjetischen Wirtschafts- und der Parteiorganisation betrieben? Wieweit ist die Ideologie ein bestimmender Faktor der sowjetischen Innen- und Außenpolitik? Gibt es Anzeichen, dass sich die Sowjetunion in ein bürgerliches System verändert? Welche politische Bedeutung hat das Nationalgefühl der nichtrussischen Völker? Ist die friedliche Koexistenz eine konkrete Hoffnung oder eine vorsätzliche Irreführung? Streben die politischen Führer der SU weiter nach der Weltrevolution oder wollen sie allein die Macht des Sowjetstaates erhalten? Was können wir tun, um der konstanten Bedrohung des Kommunismus in der Welt zu widerstehen?“[79] Das Direktorium verstand das OK als weltweit einzige Bildungsinstitution, die für qualifizierte Bevölkerungsschichten eine geistig-politische Auseinandersetzung mit dem Kommunismus auf wissenschaftlicher Grundlage etabliert hatte. Dies wurde 1964 durch zwei Sonderveranstaltungen unterstrichen: Im Mai fand ein Erfahrungsaustausch über „Vorurteile und Klischees bei der Behandlung von Ostfragen“ statt, an dem insgesamt 38 namhafte Journalisten und Direktoriumsmitglieder teilnahmen. Im Dezember 1964 war es endlich gelungen, eine bereits seit September 1962 vom Direktorium angeregte supranationale Veranstaltung zu realisieren, die unter dem Arbeitstitel „NATO-Tagung“ stand. An dem „Internationalen Colloquium“ zum Rahmenthema „Ostforschung und politische Bildung“ (in der Planungsverantwortung des neuen, aus der Bundeszentrale Anfang 1964 als Studienleiter übergewechselten Werner Maibaum) nahmen 50 Personen, Ostforscher, Botschaftsvertreter sowie Repräsentanten von Bildungseinrichtungen zur Auseinandersetzung mit dem Kommunismus aus den NATO-Mitgliedsstaaten Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, den Niederlanden, Norwegen, Portugal und den USA sowie aus Schweden, der Schweiz und die Mitglieder des OK-Direktoriums teil.[80] Während Karl-Heinz Ruffmann in einem Beitrag „Entstehung und Stellung des Ostkollegs im Rahmen der politischen Bildung“ vorstellte, sollten zwei Grundsatzreferate, die unterschiedliche Akzente setzten, als Debattenimpulse dienen. Joseph M. Bochenski referierte „Zur geistigen Auseinandersetzung mit der kommunistischen Ideologie“[81], und Hans Joachim Lieber bilanzierte „Erfahrungen über Möglichkeiten und Grenzen wissenschaftlicher Aufklärung“. Das Kolloquium wurde durch den Bundesinnenminister Hermann Höcherl eröffnet, der sich – anders als sein Amtsvorgänger Gerhard Schröder – bereits auf der Linie eines rationalen Antikommunismus bewegte. „In seinen Ausführungen betonte er, daß eine Immunisierung gegenüber dem Totalitarismus ohne eine eingehende Berücksichtigung des totalitären Sowjetsystems unmöglich ist. Politische Bildung darf aber nicht mit staatlicher Schulung verwechselt werden. Sie soll vielmehr die Voraussetzungen für eine persönliche Entscheidung aller Staatsbürger schaffen, die auf sachgemäßer Unterichtung und differenzierter Aufklärung basiert.“ Bochenski betrachtete in seinem Eingangsbeitrag die „Intensivierung der geistigen Auseinandersetzung“ als „die bedeutendste Aufgabe, die der politischen Bildung im Bereich der Analyse kommunistischer Wirklichkeit gestellt ist“. Er lehnte die Ausarbeitung einer „Gegenideologie“ strikt ab, „weil die Grundwerte unserer westlichen Lebensordnung nicht in dogmatischer Weise bestimmbar sind“. Stattdessen müsse sich die politische Bildung darauf konzentrieren, „die gemeinsamen Elemente der Grundwerte bewußt zu machen.“ Diese Fokussierung auf die Ideologie wurde in der Diskussion erheblich relativiert. „Von besonderer Bedeutung sind dabei die wirtschaftliche Entwicklung, Wandlungen der politischen Struktur und eine zunehmend deutlicher werdende Differenzierung der monolithischen Ideologie innerhalb der kommunistischen Welt.“ Liebers Referat[82] verwies auf Vorurteilsstrukturen, die bei einer „auf Aufklärung abzielenden politischen Bildungsarbeit“ beachtet werden müssten. Diese zeigten sich generationenspezifisch, in Klischeevorstellungen oder einer verbreiteten „Neigung zum Denken in Alternativ-Modellen.“[83] Ein vorwiegend affektiv akzentuierter Antikommunismus stehe zudem im Zusammenhang mit der eher emotional bestimmten Abwehrreaktion eines bloßen „Anti-Antikommunismus“. Lieber hob die doppelte Aufgabe hervor, „im Zuge von Informierung über das Sowjetsystem zugleich kritische Bewußtseinserhellung über die eigene Lebensordnung leisten zu müssen“.[84]

Fazit: Rationaler Antikommunismus als wissenschaftliche Aufklärung

Eine eingehende Analyse der Bundeszentrale für Heimatdienst und des Ostkollegs in der Gründerzeit der Bundesrepublik führt zu einem Ergebnis, das mit vordergründigen Pauschalurteilen, wie sie noch 50 Jahre nach Gründung der Bundeszentrale zu vernehmen waren, keineswegs übereinstimmt. „In den 50er Jahren wirkte sie (…) an der antikommunistischen Restauration mit, war ein Auffangbecken diverser Naziideologen und verstand sich als deutsche Antwort auf die Re-Education der Westalliierten“ – so leitet Felix Klopotek ein Interview mit Gudrun Hentges ein[85], die sich als Kritikerin der Bundeszentrale wiederholt exponiert hat. Hentges verweist dabei einerseits ausschließlich (und insoweit zu Recht) auf die gravierende NS-Belastung Gerhard von Mendes und zum anderen auf den Umstand, dass die Bundeszentrale in den 1950er-Jahren – neben dem Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen – auch strikt antikommunistische Organisationen finanziell gefördert hat. Dabei werden jedoch entscheidende Faktoren ausgeblendet: Das Gründungspersonal der Bundeszentrale war ausnahmslos dem deutschen Widerstand gegen Hitler verbunden, und die publizistischen Eigenaktivitäten des Hauses werden dabei völlig außer Acht gelassen. Eine Inhaltsanalyse der Leitmedien der Bundeszentrale in ihrem Gründungsjahrzehnt, die mit ihren hohen Auflagen eine große Reichweite sowohl in bildungsqualifizierten sozialen Milieus als auch im Rahmen der politischen Bildung in der Schule hatte, ergibt, dass die Eigenpublikationen der BZH – zumal im Vergleich mit anderen in dieser Zeit publizierten Beiträgen – überwiegend dem Informationsanspruch eines rationalen Antikommunismus im Sinne einer tatsachengestützten Information und einer wissenschaftlichen Analyse zugeordnet werden können. Dabei zeigen sich unter dem Anspruch einer pluralistischen Orientierung auch politische Urteilspositionen, die gelegentlich nicht frei von einer polemischen Diktion gewesen sind, doch sind solche Texte, für die hier ebenfalls Beispiele präsentiert worden sind, in der deutlichen Minderheit. Dass auch die Tätigkeit des Ostkollegs in der Verantwortung eines weitgehend politisch unabhängigen Direktoriums mit Referentenauswahl und Tagungskonzepten den Prinzipien wissenschaftlicher Aufklärung weitgehend gefolgt ist, konnte hier zumindest exemplarisch sichtbar werden. Die Wirksamkeit einer Bildungsarbeit, die an dem Gebot einer wissenschaftlich fundierten Auseinandersetzung mit dem Kommunismus ausgerichtet war, demonstriert indirekt eine Einschätzung des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, die in ihrer absurden Polemik verdeutlicht, wie sich ein ideologischer Anti-Antikommunismus als Gegenmodell irregeleiteter Formen der Auseinandersetzung ausnimmt: „Die Bundeszentrale für Heimatdienst ist die offizielle Propagandazentrale der Bonner Regierung. Ihre Haupttätigkeit besteht in Hetze gegen das sozialistische Lager, besonders gegen die Sowjetunion und die DDR; Förderung des Revanchismus durch Propagierung der Bonner Revanchepolitik; Bekämpfung fortschrittlicher Bestrebungen in Westdeutschland mit den Mitteln der Publizistik; politische ideologische Beeinflussung der westdeutschen Bevölkerung mit dem Ziel, sie durch Vermittlung einer sogenannten staatsbürgerlichen Bildung für den westdeutschen Staat zu gewinnen und auf die Linie der Adenauer-Politik festzulegen; Rechtfertigung des nationalen Verrats der westdeutschen Imperialisten mit Hilfe der Propagierung der NATO und der Idee der sogenannten europäischen Integration.“[86] Solche Phrasen aus den Bunkern des Kalten Krieges sind wahrlich kein Zeichen für Recherchesorgfalt oder analytischen Verstand. Die Westexperten aus dem Osten hätten besser ihren Lenin gelesen: „Die Wahrheit ist immer konkret.“[87] Ein solcher unabgegoltener Denkanstoß könnte Anlass sein, der Bundeszentrale im 60. Jahr ihres Bestehens auch zu ihrer Arbeit in den Gründerjahren Respekt zu bezeugen.

 

Fußnoten

1.Jörg Echternkamp, Nach dem Krieg. Alltagsnot, Neuorientierung und die Last der Vergangenheit 1945–1949, Zürich 2003, S. 206. Vgl. auch Heidrun Kämper, Der Schulddiskurs in der frühen Nachkriegszeit. Ein Beitrag zur Geschichte des sprachlichen Umbruchs nach 1945, Berlin/New York 2005

2.Ernst Richert, Das zweite Deutschland. Ein Staat, der nicht sein darf, Gütersloh 1964.

3.Der Zeitrahmen umfasst für die Bundeszentrale für Heimatdienst die Jahre 1952–1963, für das Ostkolleg die Entwicklung bis 1964

4.Rede Adenauers, in: Mitteilung des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung, 802/51 v. 12.9.1951. – Schon am 13.6. hatte der Bundestag über die Einrichtung einer Bundeszentrale für Heimatdienst debattiert, gegen die die SPD allerdings noch einwandte, diese könne als Instrument der Regierung missbraucht werden: Verhandlungen des Deutschen Bundestags, I. Wahlperiode 1949, 151. Sitzung v. 13.6.1951, Stenograph. Berichte, S. 6007CffSchreiben von Forschbach an Globke v. 23.10.1951 (Für die Einsichtnahme dankt d. Vf. Werner Maibaum).

5.Zur Geschichte der Reichszentrale vgl. insb. Johannes Karl Richter, Die Reichszentrale für Heimatdienst. Geschichte der ersten politischen Bildungsstelle in Deutschland und Untersuchung ihrer Rolle in der Weimarer Republik, Diss. FU Berlin 1963 (Auszüge: Ders., Die Reichszentrale für Heimatdienst, in: APuZ, B 25/63, S. 3–30); Klaus Wippermann, Politische Propaganda und staatsbürgerliche Bildung. Die Reichszentrale für Heimatdienst in der Weimarer Republik, Köln/Bonn 1976; eine konzise Zusammenfassung: Benedikt Widmaier, Die Bundeszentrale für politische Bildung. Ein Beitrag zur Geschichte staatlicher politischer Bildung in der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt a. M. 1987,           S. 15–18.

6.Vgl. – quellenkritisch zu lesen – [Richard] Strahl, Die Reichszentrale für Heimatdienst (RfH). Bericht über die Entstehung und Tätigkeit der staatlichen politischen Volksaufklärung in der Weimarer Republik (unveröff. Ms. 1956, BArch). Kritisch zu Strahl vgl. Widmaier (Anm. 6), S. 18.

7.Zur Biografie Frankens und seinem Verhältnis zu Adenauer vgl. Widmaier (Anm. 6), S. 33 – 37, zit. S6.

8.Den Vorschlag Adenauers zit. Josef Rommerskirchen, Ein Leben für die Freiheit, in: Das Parlament, 17.12.1983.

9.Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, 53 v. 10.5.1952, S. 573.

10.GMBl 3 (1952), S. 318. – Lehr hatte den später gebilligten Text des Erlasses bereits am 8.2.1952 dem Bundeskabinett vorgelegt und am 8.7. mitgeteilt, dass die BZH bereits am 1.3. ihre Tätigkeit aufgenommen habe. Ein Vorstoß des Bundespresseamts, in bestimmten Angelegenheiten beteiligt zu werden (BArch B 136/5893), blieb unberücksichtigt (zur Abgrenzung der Zuständigkeiten: ebd. B 106/3253). Vgl. Kabinettssitzung vom 7.10., »http://www.bundesarchiv.de/cocoon/barch/0000/k/k1952k/kap1_2/kap2_70/para3_5.html« [15.5.2012].

11.„Carl Christoph Schweitzer und Enno Bartels stammten aus dem Umfeld der Bekennenden Kirche. (…) Walter Jacobsen [SPD] (…) verbrachte die Kriegsjahre als Gegner der Nationalsozialisten in Schweden. (…) Josef Rommerskirchen, führender Funktionär der deutschen katholischen Jugend, Mitbegründer und mehrjähriger Vorsitzender des Deutschen Bundesjugendring.“: Widmaier (Anm. 6), S. 37.

12.Am 20.10.1953 übernahm Gerhard Schröder das BMI, das während der Tätigkeit von Staatssekretär Hans Ritter von Lex (der am 31.10.1960 pensioniert wird) zunächst seine Unabhängigkeit weitgehend bewahren konnte, bevor sich seit 1957 administrative Kontrollansprüche verschärften. Der Nachdruck eines 1957 von der BZH publizierten Textes von Renate Riemeck, die als radikale Kriegsdienstgegnerin und 1960 als Gründungsmitglied der DFU hervorgetreten war, in einem Band der BZH-Schriftenreihe führte zum „Maulkorberlass“ des BMI v. 12.8.1960, der eine vorherige Vorlage aller Publikationen der BZH im BMI verfügte, wovon auch „APuZ“ betroffen war: vgl. Widmaier (Anm. 6), S. 64 u. 89, Anm. 7. Nach der BMI-Amtsübernahme durch Hermann Höcherl am 14.11.1961 wurde der Erlass unwirksam.

13.Ein seinerzeit ebenso erwogener Wissenschaftlicher Beirat wurde erst 1970 eingerichtet.

14.Siehe dazu neben Widmaier (Anm. 6) Wolfgang Beywl, Die Bundeszentrale für politische Bildung, Mag.-arb., Bonn 1977; mit einseitig kritischer Tendenz für das Gründungsjahrzehnt Gudrun Hentges, Heimatdienst, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 47 (2002) 11, S. 1318–1321; dies., Die Bundeszentrale für politische Bildung im Umbruch, in: Christoph Butterwegge/dies. (Hg.), Politische Bildung und Globalisierung, Opladen 2002, S. 251–281; dies., Staat und politische Bildung: Gründung, Methoden, Zielstellungen und Konzeptionen der Bundeszentrale für politische Bildung (i. Ersch.).

15.Zu Entstehungsgeschichte und Arbeitsweise: Willi E. Weber, Die ersten Jahre der Zeitung, in: Das Parlament, 38/1981, S. 8f: Der Hamburger Verlag Girardet & Co. hat die Wochenzeitung mit Unterstützung des BMI gegründet, Weber bezeichnet Ministerialrat Lüders als ihren „Erzeuger“. Von den beiden Redakteuren war „einer der Regierungskoalition, der andere der Opposition im Bundestag zuzurechnen“. Einem als Kontrollinstanz eingerichteten Beirat gehörte seit Januar 1952 auch Franken an.

16.Bis einschl. 1958 waren die APuZ-Ausgaben römisch nummeriert, zur Vereinheitlichung werden hier arabische Ziffern verwendet. Bis 1962 wurden die Seiten jedes Jahrgangs durchlaufend gezählt.

17.Exemplarisch: Walter Dirks, Politische Bildung, in: APuZ, B 51/53, S. 6–11; Theodor Litt, Die Selbsterziehung des deutschen Volkes, B 3/54, S. 25–34; Theodor Eschenburg, Die Richtlinien der Politik im Verfassungsrecht und in der Verfassungswirklichkeit, B 22/54, S. 278–285; Eduard Spranger, Gedanken zur staatsbürgerlichen Erziehung, B 48/56, S. 749–760.

18.Mit Beiträgen zu Politik und Zeitgeschichte bis 1963 am häufigsten in APuZ vertreten waren Helmut Krausnick und Theodor Litt (je 7), Theodor Eschenburg, Hans Rothfels und Josef Wulf (6): vgl. Aus Politik und Zeitgeschichte. Gesamtverzeichnis 1953–1992, Hg. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1993.

19.Der Anteil der APuZ-Ausgaben, die Beiträge zur Auseinandersetzung mit dem Kommunismus und zum Ost-West-Konflikt enthielten, stieg in den ersten fünf Jahren von 25% (1954) über 45% (1956) auf 50% (1958). Häufigste Autoren hierzu waren im ersten Jahrzehnt bis einschl. 1963 (Fortsetzungen und Vorabdrucke als ein Beitrag gezählt): Joseph M. Bochenski, John Foster Dulles, Henry Kissinger (je 7); Walter Grottian (6); Iring Fetscher, George Kennan, Wolfgang Leonhard, Richard Löwenthal, Boris Meissner, Günther Nollau, Georg Stadtmüller (je 5).

20.In: APuZ, B 23/54, S. 289–294. Die folgenden Zitate ebd., S. 291f. – Der Theologe Helmut Gollwitzer, Schüler Karl Barths, war Mitglied der Bekennenden Kirche. Wegen seiner Kontakte zum Widerstand wurde er 1940 zeitweilig inhaftiert. Als Sanitäter an der Ostfront kam er in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Seine Erlebnisse verarbeitete er in dem Bestseller „… und führen wohin Du nicht willst“ (1950; ein „großes historisches Dokument“, Theodor Heuss), der eine pointierte Auseinandersetzung mit dem Sowjetkommunismus enthält. 1950–1957 war Gollwitzer Professor für Systematische Theologie in Bonn, was seinen Kontakt zu Paul Franken erklären mag.

21.Wenzel Jaksch (1896–1966), sudetendeutscher Sozialdemokrat, seit Beginn des Zweiten Weltkrieges im britischen Exil, in Westdeutschland Vorsitzender der Seliger-Gemeinde (der vertriebenen sudetendeutschen Sozialdemokraten), war seit 1961 Vizepräsident der Sudetendeutschen Landsmannschaft und seit 1964 Vorsitzender des Bundes der Vertriebenen.

22.Wenzel Jaksch, Der Kampf um Wiedervereinigung und Heimatrecht als sozialistische Aufgabe, in: APuZ, B 26/56, S. 396–404, hier 397 (Hervorhebung i. Orig.). Das Folgende ebd., S. 399. – Vgl. auch Stephan Thomas [Leiter der Organisationsabt. des SPD-Parteivorstandes], Sozialdemokratie und Kommunismus, in: APuZ, B 45/57, S. 753–773.

23.Eine ähnliche Argumentation findet sich drei Jahre später bei Iring Fetscher, Die Freiheit im Lichte des Marxismus-Leninismus, in: APuZ, B 48/57, S. 817–835.

24.Vgl. Joseph M. Bochenski, Der sowjetrussische dialektische Materialismus, München 1950; Gustav A. Wetter, Der dialektische Materialismus. Seine Geschichte und sein System in der Sowjetunion, Freiburg i. Br. 1952.

25.In: APuZ, B 6/56, S. 77–95, hier S. 78.

26.Gustav A. Wetter, Der dialektische Materialismus, in: APuZ, B 13/56, S. 217.

27.George F. Kennan, Das Amerikanisch-Russische Verhältnis. Rückschau, in: APuZ, B 51/54, S. 669–673, hier 673.

28.In: APuZ, B 50/54, S. 659–664. Das Folgende ebd., S. 663f.

29.In: APuZ, B 7/55, S. 101–105. Das Folgende ebd., S. 105.

30.In: APuZ, B 39/55, S. 589–594, hier S. 591.

31.George F. Kennan, Die Sonne und der Nordwind. Gedanken zur Lösung der Ost-West-Spannung, in: APuZ, B 6/55, S. 89–95, hier S. 91 u. 93.

32.Paul A. Hoffman, Der Friede, für den wir kämpfen, ist in Sicht und wir können ihn gewinnen, in: APuZ, B 39/55, S. 595–598, hier S. 595.

33.Michael Prawdin, Rußland, Sowjetrußland oder Europa? Warum verstehen wir die Sowjets nicht?, in: APuZ, B 5/55, S. 73–86, hier S. 86.

34.Averell W. Harriman, Der sowjetische Angriff auf die amerikanische Politik. Die unerkannte Gefahr, in: APuZ, B 28/56, S. 421–425, hier S. 421 u. 424.

35.Siehe dazu APuZ, B 13/60 (mit Beiträgen von Adlai E. Stevenson, George F. Kennan u. Dean G. Acheson) sowie Nelson A. Rockefeller, Zielstrebigkeit in der Politik, in: APuZ, B 22/60, S. 337–347.

36.Exemplarisch (als erster APuZ-Beitrag zur SU überhaupt): Herman F. Achminow, Die Oberschicht in der Sowjetunion, in: APuZ, B 47/53, S. 1–6; Boris Meissner, Die Ergebnisse des 20. Parteikongresses der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, B 30/56, S. 457–494; David Burg, Psychologische und soziale Folgeerscheinungen der Aufhebung des Terrors in der Sowjetunion, B 43/58, S. 569–579. – Wichtige Autoren zu diesem Komplex sind weiterhin u.a. (Verweis nur auf die jew. erste Veröffentlichung in APuZ): Bertram D. Wolfe (B 8/54), Walter Grottian (48/55), Jane Degras (25/56), Ossip K.Flechtheim (41/56), Wolfgang Leonhard (34/55), Walter Kolarz (31/57), Hermann Weber (43/57), Georg Paloczi-Horvath (36/60), Walter Laqueur (15/63) und Karl C. Thalheim (28/63).

37.In ausführlichen Auszügen werden die beiden Bücher von Joseph Scholmer, Die Toten kehren zurück. Bericht eines Arztes aus Workuta (APuZ, B 15–17/55), und Wolfgang Leonhard, Die Revolution entlässt ihre Kinder (B 34 u. 35/55), vorgestellt. Eindrucksvoll ist auch die Dokumentation „Letzte Briefe aus Stalingrad“ (Vorabdruck: B 52/55). Siehe auch Margarete Buber-Neumann, Schicksale deutscher Kommunisten in der Sowjetunion, B 22/58, S. 277–291; Albertine Hönig, Leben in Workuta, B 6–8/58, S. 61–111.

38.Aurel von Jüchen, Was die Hunde heulen, Vorabdruck in: APuZ, B 36–39/58, S. 465–487 u. 489–512, zit. S. 466. Das Folgende ebd., S. 503.

39.Vgl. vier Beiträge von Alfred Burmeister, in: APuZ, B 37/56, S. 573–586; B 47/56, S. 733–747; B 24/57, S. 371–382; B 47/58, S. 625–633. Vgl. auch bilanzierend Ernst Birke u.a., Die Sowjetisierung Ost-Mitteleuropas 1945 – 1957, in: APuZ, B 38/59, S. 477–497. „Bei einer Gesamtbilanz ist (…) die Ablösung dieses Gebietes von West- und Mitteleuropa und seine Angleichung an den Osten unverkennbar. Neben der wirtschaftlichen Eingliederung in das neue Sowjetimperium erfolgt auch eine kulturelle Enteuropäisierung, die vielfach durch die zwangsweise Entfernung der deutschen Bevölkerung als eine der wichtigsten Klammern zum Westen erleichtert wurde.“ (S. 483).

40.Joseph Scholmer, Die Revolution in Ungarn, in: APuZ, B 1/57, S. 1–16, hier S. 16.

41.Henry A. Kissinger, Auf der Suche nach Stabilität, in: APuZ, B 42/59, S. 554–564, hier S. 555.

42.Vgl. im Jg. 1958 die Ausgaben 25, 26, 30, 32, 33, 34, 36, 37, 39, 40. Dieses außergewöhnliche Verfahren für ein Periodikum erklärt sich wohl auch aus dem Umstand, dass Werner Maibaum, seit 1956 wiss. Mitarbeiter Bochenskis für das „Handbuch“, 1957 die APuZ-Redaktion übernommen hat.

43.APuZ, B 25/57, S. 383.

44.Ein grundlegender Beitrag zur Charakterisierung der VR China als „Apparatgesellschaft“ stammt von dem renommierten Sinologen und Verfasser des Standardwerks „Die orientalische Despotie“ (1957) Karl A. Wittfogel, Die chinesische Gesellschaft, in: APuZ, B 19/58, S. 229–239, hier 238: „Da die Herrscher ihre totale Macht durch eine Regierung ausüben, die (…) praktisch die gesamte wirtschaftliche und soziale Tätigkeit der Bevölkerung kontrolliert, stehen wir einer totalitären Apparatpartei gegenüber.“

45.Vgl. Anonym, Rotchina – der Juniorpartner Moskaus, in: APuZ, B 17/57, S. 271–282. – 1954–1961 erscheinen insg. 29 Beiträge mit der Autorenangabe „Anonym“ oder „…“ in APuZ (allein acht 1957), die überwiegend Themen aus dem Bereich der Auseinandersetzung mit dem Kommunismus behandeln. Seither ist diese für eine wissenschaftlich orientierte Zeitschrift dubiose Praxis aufgehoben.

46.Vgl. dazu Max Biehl, Volkskommunen in China, in: APuZ, B 4/59, S. 33–36; G.f. Hudson, Mao, Marx und Moskau, B 42/59.

47.An Yowev, Die ideologischen Gegensätze zwischen Chruschtschow und Mao Tse-tung, in: APuZ, B 26/60, S. 417–428; vgl. auch Boris Meissner, Der ideologische Konflikt zwischen Moskau und Peking, B 11/61, S. 131–147.

48.Über den „linken Radikalismus, die Kinderkrankheit im Kommunismus“, in: APuZ, B 26/60, S. 426–428.

49.Georgi Paloczi-Horvath, Nikita Sergejewitsch Chruschtschow, in: APuZ, B 36/60, S. 573–588, hier S. 580 (Vorabdruck aus: ders., Chruschtschow, Frankfurt a. M. 1960).

50.Vgl. dazu ausführlich Stefan Creuzberger, Kampf für die Einheit. Das gesamtdeutsche Ministerium und die politische Kultur des Kalten Krieges 1949–1969, Düsseldorf 2008. – Zwischen BMG und BZH bestand eine erhebliche Rivalität, weil das Ministerium gegenüber dem Ansatz Frankens, der eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Kommunismus postulierte, Methoden einer psychologischen Einflussnahme auf die Bewusstseinsbildung der westdeutschen Bevölkerung favorisierte. Grundlegende Meinungsverschiedenheiten veranlassten das BMG zu zunehmender Distanzierung von der BZH und zu einer verstärkten Kooperation mit dem Bundesvertriebenenministerium und dem Bundesministerium der Verteidigung. (Es ist bezeichnend, dass in dem informationsreichen, sorgfältig recherchierten Buch Creuzbergers Paul Franken im Register nicht verzeichnet ist.)

51.„SBZ-Archiv“ erschien i. A. und mit Finanzierung des BMG seit April 1952 als zweimal monatlich erscheinende Reihe. „Eigentlich sollte die Zeitschrift objektive Grundlagen für eine fundierte Beurteilung der Verhältnisse in der ‚Zone‘ vermitteln. Aber zunächst standen Anklage, Aufklärung und politische Mobilisierung im Vordergrund; getreu dem Motto, das auf der Titelseite jedes Heftes abgedruckt war: ‚Besinnt euch auf eure Kraft, der Westen ist stärker!'“: Ilse Spittmann-Rühle, Drei Jahrzehnte Deutschland Archiv, in: Wolfgang Thierse u.a. (Hg.), Zehn Jahre Deutsche Einheit, Opladen 2000, S. 303.

52.In: APuZ, B 24/55, S. 361–381.

53.Etwa Jürgen Rühle, Die Kulturpolitik der Sowjetzone, in: APuZ, B 47/55, S. 709–720. – 1956/57 erscheinen zahlreiche Beiträge von anonymen Autoren, z.B. in B 12/56 ein Protokoll der 25. ZK-Tagung der SED sowie u.a. mit Dokumenten oder Analysen zur Situation in der DDR in: B 15/56, B 24/56, B 41/56, B 11/57, B 23/57, B 49/57. Hervorzuheben ist der Beitrag von Hermann Weber, Von Rosa Luxemburg zu Walter Ulbricht, B 31 u. 32/59, S. 389–427.

54.Vgl. dazu Creuzberger (Anm. 51), S. 461–478. – Eine eingehende Inhaltsanalyse der Eigenpublikationen des BMG bis Mitte der 1960er-Jahre steht noch aus. Wichtige Vorstudien sind die Arbeiten von Klaus Körner, zuletzt: Die rote Gefahr. Antikommunistische Propaganda in der Bundesrepublik von 1950 bis 2000, Hamburg 2003.

55.Anonym, Lenkung, Organisation und Methoden der kommunistischen Infiltration in der Bundesrepublik, in: APuZ, B 35/56, S. 545–560 (Der Vorspann hierzu bezieht sich ausdrücklich auf das KPD-Verbot und auf die „rege Diskussion […], ob der von der Bundesregierung gestellte Antrag außen- und innenpolitisch geschickt und ob es richtig gewesen sei, die Kommunistische Partei Deutschlands für illegal zu erklären.“); Anonym, Kommunistische Untergrundarbeit in Deutschland, B 41/56, S. 643–647. Vgl. auch Wolfgang Leonhard, Die Parteischulung der SED (1945–1956), in: APuZ, B 44/56, S. 689–704.

56.In: APuZ, B 35/56 [29.8.1956!], S. 560.

57.„Dem Menschen im Betrieb galt die besondere Aufmerksamkeit unter dem Gesichtspunkt der Abwehr kommunistischer Infiltration.“: Tätigkeitsbericht der BZH 1956/57, S. 8.

58.„Informationen“: Auflage 920.000, „Das Parlament“ (mit „APuZ“): 100.000 Ex.: Tätigkeitsbericht der Bundeszentrale für politische Bildung für das Rechnungsjahr 1964, 11.2.1965, S. 42 u. 6.

59.Das Thema Vertreibung und deutsche Ostgebiete wird in APuZ erst wesentlich später aufgegriffen. Dass es die Redaktion als heikel empfindet, zeigt der Vorspann zu Beiträgen, die zwischen Herbst 1958 und April 1960 erscheinen: „Wir beginnen heute mit dem Abdruck einer Reihe von Artikeln, die sich mit dem Polen von heute und mit der durch die Abtrennung der deutschen Ostgebiete geschaffenen Problematik auseinandersetzen. Autoren verschiedenster Anschauungen werden das Wort erhalten, so daß die Urteilsbildung dem Leser überlassen bleibt. In keinem Fall stellt ein Artikel die Meinungsäußerung der herausgebenden Stelle dar.“ (APuZ, B 45/58, S. 593). – Dokumentiert wird zunächst die Rede der nahezu unbekannten Kongressabgeordneten Carroll Reece, Das Recht auf Deutschlands Osten, in: APuZ, B 45/58, S. 593–612, die scharfe Töne anschlägt: „Wir sollten keinen Zweifel darüber lassen, daß die deutschen Provinzen östlich der Oder-Neiße, die seit 1945 unter provisorischer fremder Verwaltung stehen, bis heute und weiterhin rechtlich und gesetzlich ein Teil Deutschlands sind, der militärisch besetzt ist und jetzt unter gleichsam kriegsmäßiger Verwaltung der beiden kommunistischen Mächte steht.“; „In der Tat, nur im Schutz der sowjetischen Armee kann Polen letztlich sicher sein, an seinem Kriegsraub festhalten zu können.“ (S. 595 u. 611) In derselben Ausgabe ruft der Göttinger Historiker Percy Ernst Schramm, Polen in der Geschichte Europas, ebd., S. 613–622, die Geschichte Polens als „Leidensweg“ in Erinnerung, „härter als das [Leid] irgend eines anderen großen Volkes in Europa“, und plädiert unter Ausklammerung der Grenzfrage für einen „Weg der Verständigung“ (S. 616, 618 u. 622). Theodor Schieder, Die Ostvertreibung als wissenschaftliches Problem, B 17/60, S. 282–288, führt im April 1960 u.a. aus, die „Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa“, die seit 1954 erschien, solle „etwas von dem verspüren lassen, was wir als Gesamthaftung des deutschen Gesamtvolkes für seine Vergangenheit bezeichnen können und was als eine Konsequenz der früher so betonten nationalen Solidarität auf uns genommen werden muß.“ (S. 288).

60.Die Beiträge beider Hefte hat Gerhard von Mende verfasst. Blickt man auf von Mendes Vergangenheit (vgl. Anm. 75), so trifft auf diese Texte zu, was Winfried Schulze (Deutsche Geschichtswissenschaft nach 1945, München 1989) als „Objektivität als Heilmittel“ charakterisiert.

61.Das Heft zieht in seinem reichhaltigen und fundierten Informationsangebot erkennbar aus dem 1959 publizierten „Osteuropa-Handbuch. Polen“, Hg. Werner Markert, erheblichen Nutzen.

62.Vgl. Gesamtverzeichnis der Veröffentlichungen 1952–1992, Hg. BpB, Bonn 1992, S. 97–99.

63.Hier und im Folgenden im Wesentlichen unter Bezug auf Werner Maibaum, Ostkolleg der Bundeszentrale für Heimatdienst. Gründungsgeschichte und Aufbauphase, Hg. BpB, Bonn 2004, zit. S. 24 u. 25.

64.Ebd., S. 25.

65.Widmaier (Anm. 6), S. 46.

66.Beim BVerfG bestanden erhebliche Zweifel an der Begründbarkeit des KPD-Verbots, weil es – anders als beim bereits nach elf Monaten verhängten SRP-Verbot – nicht auf Tathandlungen zur „Untergrabung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ gestützt werden konnte, sondern sich auf die Unvereinbarkeit der kommunistischen Staatslehre von der „Diktatur des Proletariats“ mit den Prinzipien des Grundgesetzes stützte.

67.Maibaum (Anm. 63). Vgl. v. a. BArch B 106/21611.

68.Das Verbotsurteil in: BVerfG 5, 85, das Gutachten Bochenskis in: KPD-Prozess. Dokumentarwerk zu dem Verfahren über den Antrag der Bundesregierung auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der KPD vor dem 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts, Karlsruhe 1956, Bd. 3, S. 509ff, und bereits zuvor nach Vorlage beim BVerfG im März 1955 (ohne Angabe des Entstehungszusammenhangs und Verwendungszwecks) in: APuZ, B 6 /56.

69.Zit.: Maibaum (Anm. 63), S. 11.

70.Das „Memorandum“ ist undatiert, zit.: Maibaum (Anm. 63), S. 58–60.

71.Bericht in: Das Parlament, 47/1957, S. 16. In seiner mit bellicoser Rhetorik unterlegten Eröffnungsrede fokussiert Schröder die Aufgabe des OK auf die ideologische Auseinandersetzung: „Es geht hier nicht um den machtpolitischen Gegensatz zwischen Ost und West. Hier geht es allein um die ideologische Auseinandersetzung. Sie ist uns aufgezwungen, weil die östliche Heilslehre mit der Herrschsucht und dem Eroberungswillen einer fanatischen Prophetie auftritt – als der einzig wahre Glauben, der alles seiner Pseudo-Wahrheit unterwerfen will.“ Schröder redet hier zwar einmal von der – den sonst im interministeriellen Verkehr und im Gebrauch der BZH vorherrschenden – „geistig-politische(n) Auseinandersetzung mit dem Kommunismus“, formuliert aber als Aufgabe des OK, „vielen in allen Bereichen des öffentlichen Lebens Tätigen Erkenntnisse für die geistige Bekämpfung des Kommunismus [zu] vermitteln.“ (ebd.) Der Entwurf des OK (unter Mitwirkung des Direktoriumsmitglieds Werner Markert) hingegen erklärte: „Das Ostkolleg ist eine Einrichtung der politischen Bildung und hat eine doppelte Aufgabe. Durch Vorträge wissenschaftlich ausgewiesener Sachkenner des In- und Auslandes bietet es eine systematische Unterrichtung über die ökonomischen, sozialen, politischen und kulturellen Gegenwartsprobleme Osteuropas und der Sowjetunion. In offener Diskussion (…) soll den Teilnehmern der Studientagungen eine eigene Urteilsbildung ermöglicht werden, um die erarbeiteten Einsichten für die geistige Auseinandersetzung mit dem Sowjetkommunismus und seinen Auswirkungen fruchtbar zu machen – unter Besinnung auf Idee und Wirklichkeit der Freien Welt.“: BArch B 168/772, zit.: Maibaum (Anm. 63), S. 93.

72.BMI, Erlaß über die Errichtung des Ostkollegs, 28.11.1957, http://www.bpb.de/36447 [15.5.2012].

73.Bei Gründung des OK wurden als Mitglieder des Direktoriums berufen: Joseph M. Bochenski, Hans Koch († 9.4.1959), Hans Joachim Lieber, Werner Markert, Gerhard von Mende († 16.12.1963), Werner Philipp, Georg von Rauch, Hans Raupach, Günter Stökl; Karl C. Thalheim. Das Direktorium kooptierte 1960 Boris Meissner, weiterhin bis 1963 Otto Schiller sowie Karl-Heinz Ruffmann (vgl. Maibaum [Anm. 63], S. 100 – 103.). Während die Gründungsmitglieder des Direktoriums vom BMI ernannt waren und insoweit auch dessen politische Interessen erkennen lassen, geben die Kooptierungen durch das Direktorium Aufschluss über dessen wissenschaftliche Grundhaltung. Dabei sind ausnahmslos unbelastete und liberale Persönlichkeiten ausgewählt worden, darunter in der Folgezeit u.a. Ernst Fraenkel, Hans-Adolf Jacobsen oder Peter Christian Ludz. Nicht einmal als Referent im OK berücksichtigt wurde der NS-belastete deutsch-baltische Osteuropahistoriker Reinhard Wittram (Göttingen), auch das Marburger Herder-Institut war im Direktorium nicht präsent. – Zur Ostforschung der NS-Zeit vgl. Werner Philipp, Nationalsozialismus und Ostwissenschaften, in: Forschungen zur osteuropäischen Geschichte 33 (1983), S. 286–303. Zur geschichtspolitischen Belastung der Ostforschung siehe auch Rüdiger Hohls/Konrad Jarausch, Versäumte Fragen. Deutsche Historiker im Schatten des Nationalsozialismus, Stuttgart/München 2000; Kai Arne Linnemann, Das Erbe der Ostforschung: Zur Rolle Göttingens in der Geschichtswissenschaft der Nachkriegszeit, Marburg 2002, S. 9–33, zur Ostforschung insb. S. 16ff. Für die Nachkriegsentwicklung vgl. als instruktiven Überblick Jens Hacker, Osteuropa-Forschung in der Bundesrepublik, in: APuZ, B 37/60, S. 591–622.

74.Wildenmann begann seine Karriere als Redakteur der „Deutschen Zeitung und Wirtschaftszeitung“ und wurde nach einer Tätigkeit im BMI wegen seiner Verwaltungskompetenz ausgewählt; er hatte keinen Bezug zur Kommunismusforschung.

75.Wegen Gerhard von Mende ist der BZH, insb. von Gudrun Hentges (Anm. 15), ein nachwirkendes Erbe von NS-Gedankengut unterstellt worden. Geb. 1904 in Riga war Mende als Russlandforscher auf die „türko-tatarischen sowjetischen Völker“ spezialisiert und hatte 1936 seine Schrift „Der nationale Kampf der Rußlandtürken. Ein Beitrag zur nationalen Frage in der Sowjetunion“ publiziert. Sein Buch „Die Völker der Sowjetunion“ (1939) enthält stark antisemitische Formulierungen. Im Juni 1941 wurde Mende im Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete als Experte zunächst für den Kaukasus, später darüber hinaus für „Fremde Völker“ tätig. Gleichzeitig wechselte er 1941 von der Posener an die Berliner Universität auf einen Lehrstuhl für Volks- und Landeskunde der Sowjetunion und wurde 1944 auf den „Lehrstuhl für Volkstumskunde des Ostraums“ berufen (vgl. dazu Ingo Loose, Der Turkologe Gerhard von Mende, in: Rüdiger vom Bruch u.a. [Hg.], Die Berliner Universität in der NS-Zeit, Stuttgart 2005, S. 62–67). Mende sah in den muslimischen Turkvölkern der SU eine Widerstandskraft gegen den Kommunismus, die sich während des Zweiten Weltkriegs in einem eigenen Sonderverband formierte (für die der spätere Bundesvertriebenenminister Theodor Oberländer verantwortlich war). Nach Kriegsende ist Mende kurzzeitig als Professor für Russlandkunde in Hamburg tätig, muss diese Funktion wegen seiner NS-Belastung aber schon bald verlassen. Er findet seit 1949 als Experte Kontakt zu antikommunistischen US-Organisationen, u.a. Radio Free Europe, Radio Liberty und CIA (vgl. Bernd Stöver, Die Befreiung vom Kommunismus. Amerikanische Liberation Policy im Kalten Krieg 1947–1991, Köln u.a. 2002, S. 317ff). Durch Unterstützung des Bundesvertriebenenministers Oberländer baut er Mitte der 1950er-Jahre zunächst ein „Büro für heimatvertriebene Ausländer“ in Düsseldorf auf, aus dem 1956 die „Forschungsstelle Osteuropa“ (ihre Berichte erscheinen unter dem Namen „Forschungsdienst“) hervorgeht, die verschiedene Expertisen für Bonner Regierungsstellen erarbeitet. Offenbar aufgrund politischer Protektion durch Oberländer und BMI-Beamte wird Mende 1957 Mitglied im Direktorium nicht nur des Ostkollegs, sondern 1961 auch im neu gegründeten Bundesinstitut zur Erforschung des Marxismus-Leninismus, ohne jedoch in beiden Gremien jemals Leitungsfunktionen einzunehmen. Die Behauptung Looses (S. 66f, unter Berufung auf Hentges), Mende habe „eine zentrale Rolle als konzeptioneller Vordenker der Errichtung des in Köln ansässigen Ostkollegs“ gespielt und „maßgeblichen Einfluss auf dessen Struktur und inhaltliche Ausrichtung“ genommen, erweist die quellengestützte Rekonstruktion der Gründungsgeschichte und Frühphase des OK als haltlos. Mende publizierte dreimal bei der BZH (APuZ, B 16/60; Informationen zur politischen Bildung, Folgen 78/79 u. 91). Im OK hat Mende 1957–1959 häufiger als Referent von Studientagungen mitgewirkt, und zwar zu Wirtschaftsgeografie und Herrschaftssystem der Sowjetunion, nicht jedoch zu seinem aus der NS-Zeit belasteten Spezialgebiet, das er in der Forschungsstelle weiter betrieb. Die v. Vf. gesichteten Protokolle der Direktoriumssitzungen enthalten keine substanziellen Beiträge von Mendes zur Tätigkeit des OK.

76.Stefan Meining, Eine Moschee in Deutschland. Nazis, Geheimdienste und der Aufstieg des politischen Islam im Westen, München 2011, S. 106.

77.Diese Materialien sind offenbar nicht archiviert. Für die Überlassung von Kopien dankt d. Vf. seinem früheren Kollegen Horst Müller.

78.Vgl. Rechenschaftsbericht des Ostkollegs […] für die Zeit vom 22. November 1957 bis 31. Dezember 1961, BArch B 168/723, zit.: Maibaum (Anm. 63), S. 94–99, Anh. 5. Das Folgende ebd.

79.Das Faltblatt liegt d. Vf. in englischer Sprache vor.

80.Werner Maibaum, gez. Rüdiger Thomas, Bericht über das internationale Kolloquium vom 14. bis 16.12.64, 27.1.1965. Die folgenden Zitate ebd. – Das gedruckte Tagungsprogramm liegt d. Vf. vor.

81.Wiedergabe nach Maibaum/Thomas (Anm. 80). Die Argumentation folgt Joseph M. Bochenski, Der freie Mensch in der Auseinandersetzung zwischen West und Ost, in: APuZ, B 23/63, S. 3–12.

82.Hans Joachim Lieber, Erfahrungen über Möglichkeiten und Grenzen wissenschaftlicher Aufklärung (unveröff., von Lieber für die Weitergabe autorisiertes Typoskript; im Besitz d. Vf.).

83.„Während bei den jüngeren Teilnehmern ständig wachsend ein zunehmender Grad an Informiertheit über das Sowjetsystem zu beobachten ist, sind bei der älteren Generation oft nur solche Kenntnisse vorhanden, die einzelnen Tatbeständen des Sowjetsystems beigeordnet sind (etwa auf Grund von Erlebnissen aus der Kriegsgefangenschaft oder auf Grund einseitiger Lektüre). (…) Damit ist nicht nur ein Schwarz-Weiß-Denken gemeint, das nach dem Motto hier alles gut, dort alles schlecht verfährt und das zum Zweck einer Abwertung des Sowjetsystems die eigenen Lebensordnung unkritisch verklärt. Ein solches Schwarz-Weiß-Denken ist zunehmend im Schwinden begriffen, und zwar in dem gleichen Maße, in dem die Kenntnis über Wandlungsprozesse im Sowjetsystem der Nach-Stalin-Zeit zunimmt und in dem gleichen Maße auch, in dem die Wirklichkeit der eigenen Gesellschaft in ihrem Spannungsgefüge kritisch durchdacht wird.“ (Ebd., S. 2f).

84.Hier trifft sich Liebers Konzept mit Neuansätzen, die Christina von Hodenberg seit den frühen 1960er-Jahren auch im westdeutschen Journalismus erkennt: „Dem Appell an den antikommunistischen Konsens stellte man das Bild einer Öffentlichkeit entgegen, in der Konflikt und Demokratie zum Tagesgeschäft gehörten.“ (Dies., Die Journalisten und der Aufbruch zur kritischen Öffentlichkeit, in: Ulrich Herbert [Hg.], Wandlungsprozesse in Westdeutschland. Belastung, Integration, Liberalisierung 1945–1980, Göttingen 2002, S. 304). Vgl. auch dies., Konsens und Krise: Eine Geschichte der westdeutschen Medienöffentlichkeit 1945–1973, Göttingen 2006.

85.Der Heimatdienst, in: StadtRevue. Das Kölnmagazin 12/2002, »http://www.stadtrevue.de/archiv/archivartikel/328-der-heimatdienst/« [15.5.2012]. Zu Mende erklärt Hentges: „Er nahm sowohl auf die konzeptionelle Ausrichtung des Ostkollegs als auch auf die personelle Besetzung der Dozentenstellen maßgeblichen Einfluss, entwickelte Seminarkonzeptionen und trat als Referent auf.“ Für die ersten beiden Einschätzungen lassen sich keine Belege finden (s.o., Anm. 75).

86.Zusammenstellung über die „Bundeszentrale für Heimatdienst“ mit dem „Ostkolleg“, o.J. (1963), BStU, MfS, ZAIG 9895. Siehe auch K. Wohlgemuth, Die „Bundeszentrale für Heimatdienst“ – Ein Instrument zur Propagierung der Bonner Kriegspolitik, in: Dokumentation der Zeit, 8/1961, S. 12–20.

87.W. I. Lenin, Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution, in: ders., Ausgewählte Werke, Bd. 1, Berlin 1961, S. 595.

Die vorliegende Studie ist aus einem Vortrag hervorgegangen, gehalten am 4.11.2011 auf der Tagung „Antikommunismus in der frühen Bundesrepublik Deutschland. Zur politischen Kultur im Kalten Krieg“ in Königswinter, veranstaltet vom Institut für Zeitgeschichte, vom Lehrstuhl für Neuere Geschichte I des Historischen Instituts der Universität Potsdam, von der Bundeszentrale für politische Bildung und dem „Deutschland Archiv“.

 

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